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ÖDV 1993-1999
Sparen! Kürzen! Zusperren!
mit Armin Anders, Eva Brenner, Gustav Ernst, Robert Harauer, Friedrun Huemer, Wolfgang Lorenz, Franz Morak, Gerhard Ruiss, Heide Schmidt
Gerhard Ruiss (IG Autorinnen Autoren)
Ich begrüße sie zum letzten Programmpunkt des Ersten Österreichischen Dramatikerinnen- und Dramatikerkongresses mit dem Untertitel, drei Fragen sind es in Kurzform: Sparen? Kürzen? Zusperren? Die Liste ließe sich beliebig lange fortsetzen, aber diskutiert werden soll der kulturpolitische Status quo, die kulturpolitischen Perspektiven, vielleicht auch die zurückliegende Kulturpolitik, was an ihr richtig war, was an ihr falsch war, was daraus zu lernen gewesen sein könnte und wie weit es sich im Status quo niedergeschlagen hat.
Friedrun Huemer (Kultursprecherin, Grüne)
Ich finde es sehr gut, dass es diesen Dramatikerkongress gibt. Ich erinnere mich, dass die IG Autoren vor einigen Jahren einen Abend dem Thema gewidmet hat. Seither ist mir einiges an der Problemlage bewusst. (...)Gerhard Ruiss hat etwas gesagt, woran ich anknüpfen möchte: Die Kultur war seit den achtziger Jahren eine enorme Wachstumsbranche, wenn wir das auf den Falter bezieht, wo man überblicken kann, was es an Veranstaltungen gibt, kam es zu einer Verdreifachung, in manchen Bereichen zu einer Versiebenfachung gekommen ist. Ebenso wurde Budgetär einiges aufgestockt parallel. Was aber nicht passiert ist und was uns jetzt viel mehr Probleme machen wird, dass strukturell was verbessert werden muss. Wir haben das Wachstum nicht genützt um strukturell etwas zu verbessern. Und natürlich wird es zu Sparmaßnahmen kommen. Ich halte von Zusperrdebatten überhaupt nichts. Sie dienen vor allem dazu in Österreich die Kunstfeindlichkeit anzukurbeln. Es wird schwer vermeidlich sein, gegen die Probleme anzukämpfen, weil sofort die Frage kommt, wem nützt es, für wen ist das gut, ja das sind ja nicht Mehrheiten. Und dann wird klar werden, dass es kein kulturelles Bewusstsein in dem Kulturstaat Österreich gibt. Wie gehabt an der Museumsquartierdebatte! Was also ist in der Wachstumsphase geschehen? Wir haben eine Valorisierung bei den großen Kunstmaschinen. Aber auch dort enorme Strukturprobleme, ich sage nur Stichwort: Museen, aber es gibt jedenfalls eine Wertsicherung der Gehälter. Im freien Kulturbereich ist überhaupt nicht die Rede davon, aber dort ist was anderes passiert, was auch immer an Geld hineingesteckt worden ist, ist für die Vermehrung von Produktionen verwendet worden. Ich weiß es ein bisschen genauer über die Literaturförderung des Bundes, im Rahmen der Verlagsförderung. Da war eigentlich vorgesehen, dass die Verlagsförderung vor allem für die Öffentlichkeitsarbeit, also auch für den Verkauf der Bücher, also für den Vertrieb und nicht nur für die Herstellung der Bücher verwendet wird, für Marketing, für die vielleicht auch wichtige Frage des Gelesenwerdens von Büchern. Und de facto hat es dazu geführt, dass mehr und mehr produziert wurde und keine Sicherung der Strukturen stattgefunden hat. Ich möchte eine Sache zur Diskussion stellen, Subventionen stellen de facto einen Eingriff in den Markt dar. Man könnte also hergehen und sagen, binden wir doch die Subventionen an Bedingungen. Nicht an Personen, sondern an Bedingungen. Bedingung könnte zum Beispiel für die Literatur und den Theaterbetrieb, dass sie in einem relevanten Anteil zeitgenössische Kunst spielen und produzieren, ebenso in der Musik, oder dass Jungkünstler eine Chance auf Auftritt haben. Dass man einfach versucht, diese Gelder an kulturpolitisch strategische Maßnahmen zu binden, sicher nicht zu 100%, das wäre auch nicht wünschenswert.
Gustav Ernst (Dramatiker)
Ich möchte anschließen an die gestrige Diskussion: Sparen bedeutet ja, dass bei lebenden Autoren gespart wird, dass die Theater das Risiko meiden, schauen dass sie auf erfolgsträchtige, erfolgsmögliche, alte Stücke, Übersetzungen alter Stücke und nicht auf neue Autoren setzen. Was mich beschäftigt hat, dass es nicht nur so ist, dass die Theater keine neuen Autoren spielen wollen, es ist ja so, dass sie mittlerweilen unter vielen Repressionen leiden und unter viele Voraussetzungen und Bedingungen gestellt werden, weswegen sie neue und österreichische Autoren spielen. Ich stelle die Frage: ob nicht die Möglichkeit besteht, wenn auch nicht sehr überlegt, ob es nicht so etwas geben kann, einen runden Tisch für Theaterschaffende. In der Filmbranche hat das stattgefunden, wo die Filmschaffenden sich in einem Dachverband zusammengefunden haben und die auch sehr wohl mit einem quasi Gegner dem Produzenten zusammengefunden haben und gemeinsame Dinge gemacht haben. Probleme sind nicht mehr alleine bewältigbar sind, die Branche muss sich zusammentun, wenn von der Politik Angriffe gestartet werden. Das soll nicht heißen, dass die Unterschiede wegfallen sollen, aber dass man alle eigenen Anliegen und eigenen Forderungen einbringt und sie gemeinsam vertritt. Es geht ja darum, dass man die Theater, wenn sie sagen, sie wollen neue Autoren spielen, auch beim Wort nimmt, dass Regisseure, Schauspieler, Direktoren, auch Theater von den freien Gruppen offensiv auftreten. Die Subventionsgegner sind nur ein Ansprechpartner, aber in Zeiten des Sparprogramms ist es vielleicht auch möglich, sich andere Finanzierungsquellen gemeinsam zu erschließen. Konkrete Dinge: Was kann man für die Autoren tun, die am stärksten am freien Markt sind, und die anderen [Häuser] am wenigsten am freien Markt sind. Ob es nicht möglich ist die Autoren an den Subventionen zu beteiligen. Die Frage der Auftragsgelder ist ein wichtiger Punkt. Es geht nicht nur um die Philosophie des Theaters, sondern es muss auch daran gearbeitet werden. Junge und neue Autoren brauchen nun mal eine andere Aufmerksamkeit, dass die Situation anders gesehen werden und dass man nicht nur mit Auslastungen argumentieren kann. Es muss vor allem mit dem Starkult und dem Repräsentationstheater aufgeräumt werden, dass man auch sieht, dass es was anderes gibt. Es ist ja langsam fad, dass jeder zweite Regisseur Cechov inszeniert, vorher war es Shakespeare. Und dass dagegen etwas gesagt wird und dass mit einem gewissen Lobbyismus Einfluss der Autoren erhöht wird. Wie man also in Entscheidungen die maßgeblich sind, zu einer gemeinsamen Arbeit kommt.
Gerhard Ruiss
Franz Morak, wie oft hast du in deinem Theaterleben in einer Inszenierung einen zeitgenössischen oder lebenden Autor gespielt.
Franz Morak (Kultursprecher ÖVP)
Ich hab das nicht gezählt, aber doch einige Male. Ich habe als Schauspieler begonnen mit Wolfgang Bauer, Peter Turrini zu spielen. Die haben mich also immer begleitet, aber es ist schon richtig und es gibt hier ein großes Missverständnis zwischen den Autoren und den Theatern: Mich hat eine Wortmeldung vom Hans Gratzer aufgerüttelt, der am Ende der Diskussion gesagt hat, es gibt keine Autoren, die für mein Theater oder für das Theater interessant wären, dass man sie rauf und runter spielt. Und das blieb eigentlich fast unwidersprochen. Das hat mich einigermaßen irritiert. Und da möchte ich weiterführen, wie schaut es denn aus. Österreich gibt für seine Kulturförderung 1,4% des BIP aus. Das ist weltweit ein ganz toller Wert. Ich sage es, wie es ist. Was wird damit gemacht? 80% der Mittel sind fix verplant in den großen Kulturtempeln, das geht vom Burgtheater, über die Museen zu den Kunsthochschulen. 10% laut Michael Wimmer in seinem Buch Kulturpolitik in Österreich zwischen 1970 und 1990 gehen in das, was wir die zeitgenössische Kreativität nennen und das ist auch ein Spitzenwert, allerdings im Negativen. Was ist zu tun? Und ich spreche zunehmend weniger leicht, desto mehr man erfährt, wie wenig Logik im Bereich der Politik und der Kulturpolitik überhaupt vermag. Denn das geht weiter. Diese 80%, die in die großen Musentempel gehen, z.B. Burgtheater, gehen wieder zu 85% in den Apparat. Also das heißt nicht in die Kunst. Und wenn man sagt: Wie strukturieren wir das um. Dann heißt es: Freunde es ist alles paletti, es ist alles wunderbar. Auf der anderen Seite, muss ich sagen, dass wir diese Monstermegastrukturen neu untersuchen, neu durchleuchten und neu bewerten und fragen, was ist uns das alles wert? Wenn wir die Bildende Kunst sehen, da gibt es in der Abteilung Temnitschka zwei Leute die das fördern, zwei verschiedene Abteilungen. Das geht weiter ins Museum der modernen Kunst, die Ankäufe tätigt. Natürlich haben wir eine Abteilung im Außenministerium, eine Abteilung im Unterrichtsministerium. Und da rede ich noch gar nicht von den vielen ausgelagerten Institutionen, die es auch noch gibt und die eine Bürokratie neben der Bürokratie bilden. Das heißt, wir müssen uns schön langsam überlegen, schaffen wir mit dem Geld, das wir für Kultur ausgeben und das ist viel, immer wieder nur Strukturen, die angeblich Kultur fördern. (...) Ich möchte aus einem Artikel von Peter Weibel vorlesen, erschienen im Standard: Das Set der Kulturpolitik gleicht einem Plädoyer für fingierte Menüs oder Memoryspiele. Jeder hebt eine Karte und keiner weiß, was darunter liegt. Hauptsache das Spiel der Subvention geht weiter. Nichts geht mehr, läutet allerdings den Anfang jeder neuen Spielrunde ein, das Menü hat viele Köche. Es bedarf eines Staatskurators, eines von diesen beauftragten Spezialkurators, eines von beiden ausgesuchten Sponsors, eines Museums auf Papier, eines Partners aus der Wirtschaft und eines Papiermediums als weitern Sponsor, damit der Leser erhält, was absolut Normalkost jeder vernünftigen, westlichen Tageszeitung wäre, nämlich ein Interview mit einem bedeutenden und berühmten Intellektuellen. Eine komplexe Logistik und eine aufwendige Administration sind in Österreich sogar für den kulturellen Alltag notwendig, für das einfachste Geschäft der Welt: Kultur zu distribuieren. Folglich bleibt in einem Land, wo Millionen Schilling in die Distribution und Vermittlung von Kultur investiert werden, kein Groschen mehr übrig für die Produktion von Kultur.
Eva Brenner (Regisseurin)
Ich war 18 Jahre im Ausland, davon 5 Jahre in Deutschland und der Schweiz, ich habe dort an großen Staats- und Stadttheatern gearbeitet als Bühnenbildassistentin, später als Bühnenbildnerin und bin 1980 ausgestiegen und bin nach New York gegangen, weil ich dachte, dass kann es nicht gewesen sein. Ich wollte schauen, ob es noch ein anderes Theater gibt. Also dass ich aus Wien weggehe, war schon 1975 klar. Ich habe hier studiert. Es gab damals schon das Dramatische Zentrum, das war der einzige Ort in Wien, wo über internationale Strömungen berichtet und ein Austausch darüber versucht wurde. Wie bekannt ist, ist dieses Zentrum später eingegangen. Sollte man auch historisch überprüfen, warum, wieso. Es ist nichts an seine Stelle getreten. Die Nutznießer sind die IG Autoren und das Literaturhaus geworden, denen ich es gönne, aber ich denke, dass eine internationale Forschungs- und Begegnungsstätte für nichttraditionelles Theater in Österreich schmerzhaft fehlt. Ich bin mit einem Koffer nach New York und wollte drei Monate lang Workshops besuchen, bin dreizehn Jahre geblieben. Ich habe studiert, ein Kulturzentrum mit aufgebaut, ein alternatives, das noch heute existiert; ich habe internationale Austauschprogramme geleitet, habe Regie geführt, Bühnenbild gemacht, ohne staatliches Geld und habe auch gelernt, wie man Geld auftreibt, wie man Public Relations macht, wie man sich als Künstler verkauft. Man verkauft sich schlecht in den USA, außer man ist berühmt und man arbeitet für die Industrie. Das wollte ich nicht und das war auch nicht politisch mein Interesse. Was ich in New York gemacht und gelernt habe, ist, den Anschluss an die Avantgarde, der in Österreich versäumt wurde, mir selbst zu erarbeiten. Ich habe ja gar nicht gewusst, woraus die Tradition, die Geschichte der Avantgarde, des experimentellen Theaters besteht. Ich hätte auch damals in Österreich keine Schule gefunden, keinen Ort gefunden, in der das gelehrt wurde. Das ist heute noch so – zwanzig Jahre danach. Ich stelle aber fest, ich habe eine kleine Theatergruppe in Wien, ich kann davon nicht leben, ich werde mittelmäßig gefördert, mit Widerwillen, ich mache internationale Arbeit, ich versuche Leute einzuladen, auch für wenig Geld, auch amerikanische Kollegen, die es gewohnt sind für wenig Geld gute Arbeit zu leisten – das ist hier oft umgekehrt. Wo die Leute die Hand aufhalten und relativ schlechte oder semiprofessionelle Arbeit leisten. Ich sehe einen ganz großen Widerspruch: Erstens zwischen der Masse an Geld, die geflossen ist und weiterfließt, ich bin aber nicht dafür, dass es gestrichen wird oder in irgendeiner Form gekürzt wird. Wir haben gestern kurz gesprochen, der Herr Morak und ich. Er meinte die 60 Millionen Schilling für die Freie Szene sind zu viel, ich denke, sie sind bei weitem zu wenig. Sie sind ein Ausdruck einer wohlwollenden, mittlerweile hilflos stagnierenden sozialdemokratischen Kulturpolitik, die allen alles recht machen wollte, die versucht hat, demokratisch zu wirken und Randgruppen einzubinden. Das ist teilweise gelungen. Ich glaube, was in den letzten zehn Jahren passiert ist, das sehe ich an der Freien Szene, ist eine zu Tode Subventionierung und Verwaltung der Szene. Die Szene liegt am Boden, vor allem spirituell. Aus irgendeinem Grund ist es versäumt worden, strukturell zu denken. In längeren Abläufen zu denken, Schulen, internationalen Austausch, Auslandstipendien zu schaffen, den jungen Leute ein Gefühl des internationalen Eingebettetseins zu geben. Ich hab gestern gesagt: Die Moderne hat in diese heiligen Hallen, ich habe es Museum und Tempel genannt, immer noch nicht Einzug gehalten. Ich glaube, dass nur durch die Förderung von zeitgenössischen und modernen Strukturen ein internationaler, liberaler, transparenter, offener Dialog entstehen kann. Ich bin seit zwei Jahren wieder in Österreich und ich bin gern hier und auch ungern. Ich vermisse eine gewisse Weltoffenheit. Ich finde es teilweise sehr isoliert, sehr provinziell und sehr konservativ. Und das merke ich auf Ämtern. Meine Erfahrung ist erst mal: Nein, Tür zu, was Neues wollen wir nicht, wo waren sie, sie kennen wir nicht, wo haben sie sich ihre Sporen verdient? Und dann kommt man zu Hearings, Leute sind nicht vorbereitet, urteilen über Projekte, ohne die vorherigen gesehen zu haben (...).
Heide Schmidt (Kultursprecherin, Liberale)
Ich habe mir das Koalitionsübereinkommen angeschaut, das ist jenes, über das wir heute diskutieren sollen (...), über Kunst und Kultur steht da was, eine halbe Seite. Gleich am Anfang steht da kontinuierliche Förderung von kulturellen Institutionen sowie deren soziale Absicherung, regelmäßige Evaluierung und Akzentsetzungen auf produzierende und experimentelle Kunst. Finde ich wunderschön, wie das klingt, nur steht nicht da, wie das umgesetzt werden soll. Und daher weiß ich jetzt schon, welches Schicksal dieser Allgemeinplatz haben wird. Es steht da auch weiter: aktive Teilnahme des österreichischen Filmwesens an Förderungsprogrammen der EU. No na kann ich da nur sagen. Weiter: Intensivierung der Kunst- und Kulturvermittlung, besonders im Schul- und Jugendbereich, unter Einbeziehung von regionalen Kulturinitiativen.Und das einzige, das konkret dasteht, ist die Verwirklichung des Projekts Museumsquartier. Und der Zustand, in dem sich das Projekt jetzt schon befindet, ist sowieso ein Trauerspiel. Das sind schöne Sprüche. Wenn man nicht weiß, wie es umgesetzt werden soll, bringen sie nichts. Wohingegen was etwas Konkretes steht, ist bei den Finanzen und der Förderung, Seite 17: Bei jenen Förderungen, die weder einen Wirtschafts- noch einen Arbeitsmarktbezug haben, ist eine Kürzung bis zu 10% vorgesehen. Und das halte ich wirklich für einen Offenbarungseid über den Stellenwert der Kultur in diesem Lande. Das Förderungen gerade dann noch einen Sinn zu haben scheinen, wenn sie Wirtschafts- oder Arbeitsmarktbezug haben, wobei man natürlich darüber reden kann, dass auch kulturelle Förderungen einen solchen Bezug haben, nur dass ich die Kultur nicht auch als ein eigenständiges Interesse eines Landes sehe, als einen eigenständigen Politikhandlungsbedarf, und das ich mir auch einmal leiste, dass sich etwas nicht rechnet, dass es einmal keinen Wirtschafts- und Arbeitsmarktbezug hat, dass es wirklich vielleicht einmal sogar ein Minusspiel ist. Dass wir uns das nicht leisten auf dem kulturellen Gebiet, das halte ich auch für einen Zustand der Gesellschaft, der zeigt, dass wir nur nach Marktmechanismen, ob sich was rechnet oder nicht, handeln. Das war für mich so symptomatisch. Sie haben mich auf die Gesetzeslage angesprochen. Ich bin Vorsitzende des Kulturausschusses. Er ist zwar noch lange nicht das, was er sein sollte. Aber hier haben wir die Absicht, etwas aus ihm zu machen. Aber das ist ein Langzeitprogramm und das muss auch so sein, denn wenn sie zu geschwind aus ihm was machen, dann kommen die politischen Mechanismen in Gang, die sind eher kontraproduktiv. Aber wenn ich mich zurückerinnere, was wir zuletzt im Parlament hatten, unter anderem das Urheberrechtsgesetz, da ist manches drinnen, was überfällig war und daher richtig war zu entschließen. Es ist manches immer noch nicht gemacht worden, was meiner Meinung nach überfällig ist. Das wäre zum Beispiel: der sogenannte Bestseller-Paragraph, dass eben zu dem Zeitpunkt, wo man mit einem Verlag einen Vertrag schließt, ja nicht wissen kann, zu welchem Erfolg das führen kann und dass man daher diesen Vertrag auch noch ändern kann. Es war keine Chance es umzusetzen. Dann noch die Repro-Kopierabgabe: Da geht es darum, dass man sich halt manche Dinge leicht macht, indem man die Sachen halt kopiert und der Autor und der Produzierende hat nichts davon. Jetzt soll dafür endlich etwas eingeführt werden. Meiner Meinung nach zu recht. Nachdem es hier endlich eine politische Einigung gibt, kam plötzlich eine Inseratenkampagne, der Kopierhersteller, dass hier eine neue Steuer eingeführt werden soll. Nur muss man sagen, wem sie zugutekommt, nämlich den Kulturschaffenden und deswegen halte ich es schon mal für unredlich, das so zu nennen. Die haben davon gesprochen, man müsse das verhindern und hinausschieben, weil das würde den Kopierhersteller in Österreich (...) unglaublich belasten. Und deswegen sollen wir das wieder aus dem Gesetz herausnehmen, wegen einer kleinen Wirtschaftslobby. Glücklicherweise ist das gescheitert. Was ich damit nur sagen will, ist, unter welchem Gesichtswinkel selbst Dinge, die wir halbwegs auf die Schiene bringen, gesehen werden und wo man nicht an die Produzierenden denkt, wo man nicht an die Kulturschaffenden denkt, sondern wo man eben an jenen Ansatz denkt, ob es einen Wirtschafts- oder Arbeitsmarktbezug hat. Und den spüre ich natürlich bei Kopierherstellern eher als bei Kulturschaffenden. Und das ist das, was mich jetzt schon beunruhigt, wenn ich daran denke, was daraus noch wird. Wenn Morak davon gesprochen hat, dass die Aufteilung des Budgets eine katastrophale ist, das unterschreibe ich voll und ganz, genau das ist ein ständiger Angriffspunkt, da ist er aber noch gar nicht zum Kunstbericht gekommen, der jetzt wiederum zeigt, das Stückchen, das sowieso nur überbleibt für die Freie Szene, wird so aufgeteilt, dass der große Brocken an die etablierten Theater geht und nur ein Brosamen überbleibt für die Nichtetablierten. Und da sage ich jetzt einmal als Wienerin, da gibt es eine Vereinbarung zwischen dem Bund und der Stadt Wien, die da heißt, dass man Privattheater fördern soll. Das finde ich ja gut. Nur gibt es da inzwischen das Raimundtheater, das alles andere als ein Privattheater ist, sondern das unter der Kontrolle der Wiener Holding steht, das heißt, das hat mit privaten Dingen überhaupt nichts mehr zu tun. Aber diese Vereinbarung wird aufrechterhalten, weil hier eben die politischen Interessenslagen aneinander angeglichen werden. Und wissen sie was das Raimundtheater im 94er Jahr bekommen hat: 27 Millionen Schilling. (...) In der Relation dazu, die Kulturinitiativen haben im selben Jahr 49,3 Millionen Schilling bekommen, die Freien Gruppen und die Kleintheater 37,7 Millionen, auf Grund des Kunstberichtes. Und da stimmt etwas nicht. Nur nutzt uns das nichts, wenn wir da alle einig sind und das beklagen, wenn nicht daraus das Umdenken so erfolgen kann, dass man sich die Verantwortlichen herholt und das man an einem Runden Tisch sich mit Politikern zur Argumentation zwingt. Das ist etwas, was wir im Kulturausschuss vorhaben, dass wir die Abgeordneten, die sich diesem Thema verschreiben, mit Kulturschaffenden zusammenbringen. Und da sage ich jetzt mal, nicht unbedingt mit Journalisten, denn da besteht immer die Gefahr, dass man sich profilieren will, dass da nicht so sehr das Sachinteresse ausschlaggebend ist. Es muss vor allem einmal ein Problembewusstsein entstehen. Ich verstehe auch nicht, dass eine kulturpolitische Debatte im Keim erstickt wird, weil jeder Angst hat, dass er zum Schluss eine gleiche Kritik anbringt wie der Herr Haider. (...) Wir müssen uns davon lösen. Was der für Positionen vertritt, ist uns herzlich egal, dass die wohl kulturfeindlich in ihrem Effekt sind, wird einer der halbwegs ein Gespür hat, wohl merken, und wird sie nicht in einen Topf werfen, wenn andere Menschen vielleicht den gleichen Kritikpunkt aufzeigen, aber mit einem völlig anderen geistigen Hintergrund, vor allem mit einem völlig anderen Ziel. Wir müssen in der kulturpolitischen Debatte weiterkommen und sie zwingen, die Gelder so frei zu machen, dass sie eben für anderes zur Verfügung stehen. Bei uns heißt sparen, immer nur Geld zurücknehmen. Das heißt, bei Ausgaben etwas zurücknehmen, aber dass man vielleicht die Strukturen, die die Ausgaben verschlingen, verändert, auf die Idee kommt kein Mensch. Und das ist das Gesamtdilemma bei uns. Weil wenn ich mir vorstelle, was der Bundestheaterverband verschlingt, und das hat Morak schon gesagt und ich mir hier eine Änderung der Struktur vornehme, damit das Ganze nicht in die Struktur fließt, sondern dass ich hier mehr Autonomie gebe. Warum geben wir den Leuten nicht ein Budget, mit dem sie selber umgehen müssen? Aber auch mit der Motivation, wenn sie etwas auftreiben an Sponsoring, es ihnen bleibt und es nicht in den Gesamttopf geht und es hat jemand anderer was davon. Das ist eine Debatte, die wir schon, ich weiß nicht wie viele Jahre schon führen, und was ich nicht begreife ist, dass man in diese Richtung nicht weiterkommt. Da gibt es noch einen anderen Bereich, Kultursponsoring finanziell absetzbar machen, und die erste Reaktion, die ich immer höre, ist die Missbrauchsgefahr. Weiß ich schon, dass da eine Missbrauchsgefahr drinnen liegt, aber es steht mir bis daher, dass man nichts mehr machen kann, aus Panik vor einem allfälligen Missbrauch. Soll sein, wird‘s halt einen Missbrauch geben, den wird man nie gänzlich verhindern können, aber insgesamt setzt man etwas in Bewegung und schafft die Möglichkeit, dass Leute, wenn das auch bei uns in Österreich in keiner Relation zu Amerika steht, aber ein paar gibt‘s ja doch, die ein Geld haben und die halt durchaus bereit wären, wenn sie einen finanziellen Anreiz auf der Einkommensteuerseite hätten, auch etwas zu investieren.
Gerhard Ruiss
Wir sind doch in der Lage seit vielen Jahren Kenntnisse über den Status Quo zu haben, aber wir haben seit vielen Jahren das Problem, zu wenig Propaganda dafür machen zu können, in welchem Zustand sich etwas befindet.
Robert Harauer (Kultursoziologe)
Vielleicht beginne ich kurz mit einem ketzerischen Gedanken. Gerade was das Theater betrifft in Wien. Man spricht ja gerne von Wien als Theaterstadt und in der Tat gibt es eine Fülle von kulturellen Angeboten in Wien. Aber für mich sozusagen Metapher oder als Bild was für mich typisch ist für die Kulturpolitik und ihre Versäumnisse, dass wenn ich durch die Stadt gehe und mir die Theaterplätze anschaue, sind das sehr ehrwürdige Häuser. Wenn ich mir das ketzerisch überlege, dann könnte man sich ja auch mal überlegen, das Burgtheater zum Beispiel umzuwidmen oder abzureißen, oder ein anderes Theater und stattdessen mit neuer Architektur ein neues Theater hinzu bauen, nämlich wirklich ein Theater der Moderne, weil Räume und architektonische Räume letztlich nicht zufällig einen großen Einfluss ausüben auf den Zugang zum und die Auseinandersetzung mit dem Theater. Also was für eine Theaterstadt wie Wien fehlt, ist ein moderner Bau des Theaters. Wenn man sich andere Städte anschaut in der Welt, wo Theater einen Stellenwert hat, dass es dort in der Regel solche Bauten gibt, in Wien nicht. Das ist für mich so eine Metapher für die Problematik in Wien.
Ich möchte zum Thema Sparen einen Blick in eine mögliche Zukunft werfen. Und zwar, es gibt ja die konkrete Erfahrung in Deutschland. Wenn man sich die bundesdeutsche Diskussion ansieht, seit der Wiedervereinigung von 1989, das ist ja weitgehend bekannt, es gibt einen enormen finanziellen Druck auf die Kommunen, die Kunst- und Kulturpolitik in Deutschland ist ja anders organisiert als in Österreich, die ist ja vielmehr in den Ländern und Gemeinden verankert und weniger auf Bundesebene, sieht man, dass sich dort auf Grund des schon viel früher einsetzenden Drucks des Sparens, um Defizite zu decken, interessanterweise auch die kulturpolitische Diskussion, zwar mit einiger Verzögerung, dem angeglichen hat, letztendlich. Wenn man sich die bundesdeutsche Diskussion bezüglich kulturpolitischer Konzepte heute anschaut, dann ist das im wesentlichen von zwei Punkten gekennzeichnet: Zum einen spricht man viel mehr von sozusagen neuer Bescheidenheit, man muss genauer werden, man muss einsehen, dass nicht alles finanziert werden kann, dass wirkt natürlich zurück auf die Kultur, wo man sagt, hier muss man genauer finanzieren, besser hinsehen, bescheidener sein, die Bürger müssen bereit sein, mit weniger auszukommen. Das ist die eine Seite. Die zweite interessante Entwicklung in dieser Diskussion ist, dass man einen Rückzug vom kulturellen Anliegen zum Kunstanliegen bemerkt. Sparen heißt also auf Sicht gesehen immer, dass sich bei knapper werdenden Mitteln eine Tendenz herausbildet, sich mehr auf den künstlerischen Bereich in der Finanzierung zurückzuziehen, sozusagen Dinge, die nicht so einfach legitimierbar sind in der Finanzierung von Kunst, die in den kulturellen Bereich hineingehen, z.B. Kulturvermittlung, zurückschraubt. Das lässt sich in Deutschland ganz gut sehen. Ich glaube, dass das in Österreich letztlich nicht viel anders werden wird. Für mein Dafürhalten ist das auch in der gegenwärtigen Kulturpolitik des Bundes beim Minister Scholten der Fall. Vielleicht auch nicht, das ist meine Wahrnehmung. Wichtig wird folgender Schritt in der Zukunft sein: gegenwärtig ist die Situation noch so, dass man nicht beklagen kann, es gäbe eine massive finanzielle Kürzung. Die Mittel des Bundes sind weitgehend eingefroren auf das Jahr 95. Es gibt diese Probleme bei der internen Verteilung, weil der Inflationsausgleich bei den großen Häusern natürlich getätigt wird, bei den institutionell nicht festgeschriebenen Budgetansätzen kann das nicht gedeckt werden, da kommt es zum Teil zu Realkürzungen. Das ist klar. Es gibt sich daraus aber auch eine Chance in den nächsten Jahren. Mehr wird es sicher finanziell nicht geben. Und es wird sicher eine Diskussion auftauchen, in welche Richtung genau was zu finanzieren ist, aber es gibt auch eine Hoffnung darin für mich, in gewisser Weise, allerdings konkreter Erfahrungen etwas getrübt: Was damit natürlich auch steigt, ist der Reformdruck. Man sieht das auch beim Sparpaket, dass unter den Argumenten des Sparenmüssens plötzlich Reformansätze möglich sind, die vorher fast nicht umsetzbar waren. Das was negativ dasteht, ist, dass viele Reformen einfach verschlafen wurden. Das ist dieser Raum, der sich eröffnen könnte. Und ich glaube, da gibt es ganz klare Punkte, das wäre einmal die Sanierung des Bundestheaterverbandes. Man muss sich das überlegen. Das Kunstbudget des Bundes beträgt 1 Milliarde Schilling, und das Gesamte Kulturbudget der Stadt Wien ist 2 Milliarden Schilling, der Bundestheaterverband, inklusive Pensionszahlungen, liegt bei 2,9 Milliarden Schilling. Da geht es nicht um Streichung künstlerischer Qualität, die künstlerische Spitze ist in diesen Institutionen enorm gering, sondern die Strukturen sind längst fragwürdig, ob das Sinn macht. Es gibt andere Bereiche, Rechtsbereiche die dringend reformiert werden müssten im Bereich Kunst und Kultur. Es gibt Bereiche, die die Verwaltung betreffen. (...) Zu überlegen wäre, ob es nicht sinnvoll wäre, die Kunstförderung im weitgehenden aus der Bundesverwaltung auszugliedern in ein eigenes Stiftungswesen, in einer Art Austrian Council of the arts. Das hat weniger finanzielle Fragen, sondern eher die Frage der Politisierung, die enge Bindung an das Budget, die Einjährigkeit, die mangelnde Möglichkeit der Künstlerförderung etc.. Ich befürchte nur, dass unter dem Spardruck zwar die einen oder anderen Reformvorschläge möglicherweise durchkommen, wahrscheinlich aber eher an dieser Kürzungsmentalität ansetzt, wo kann man möglichst rasch Geld auftreiben, um wieder die Chance zu verpassen, längst anstehende Reformen einzuleiten. Fazit: Man wird das sehen in den nächsten Jahren, wie es um den kulturpolitischen Willen bestellt ist. Klar zu erkennen zu geben, was man kulturpolitisch will oder nicht will, weil dieser Raum enger wird, weil die Verteilung im Gießkannenprinzip zur Ruhigstellung wahrscheinlich geringer wird. Es wird mehr gefordert werden, die konkrete Auseinandersetzung damit, was ist kulturell wichtig, was will man und wie will man das fördern. Reformen selbst, ich hoffe, aber darüber kann ich keinerlei Prognosen abgeben.
Gerhard Ruiss
In welchem aktuellen Verhältnis steht der ORF in all diesen Fragen? Wie sieht es denn aus mit der Spezies dramatischer Literatur in Form von Film des Fernsehfilms, dazu vielleicht ein paar Stichworte.
Wolfgang Lorenz (Kulturreferent, Fernsehen)
Ja, also das ist gut, dass sie mich so konkret fragen, weil sonst hätte ich vielleicht gesagt, ich weiß nicht, ob ich bei einer Versammlung der Zierfischzüchter oder Handballklubs Österreich bin. Ich finde, es ist alles in Ordnung, was gesagt wurde. Ich stimme allem völlig zu. Die Frage ist nur: Wer erzählt hier wem eigentlich was. Wir sind hier im Grunde ein geschlossener Kreis. Keiner wird ernsthaft sagen: Die Kultur gehört abgeschafft, die Künstler gehören weiter besteuert etc.. Ich habe das Gefühl wir gehen im Kreis. Wir sind alle ähnlich gestrickt. Es steht ja hier niemand auf und sagt: Jawohl zusperren, jawohl zu Tode sparen, jawohl abschaffen etc. und daher frage ich mich, was tickt hier eigentlich. Ich will aber nicht aus der Rolle fallen, der Reißverschluss soll weiter zügig gezippt werden. Ich frage mich, welchen Eindruck muss man haben, wenn man jetzt sagt, das ist eine Bestimmung, eine Positionierung österreichischer Kulturschaffender und die schaut so aus. Die Politiker tun das, was sie natürlich tun, und was völlig legitim ist, zu schauen wie sie heil aus der Schlacht kommen. Klar. Wer es nicht einmal vernünftig nachzudenken, ob die Kulturschaffenden Österreichs nicht einmal anders argumentieren und anders auftreten sollen, als sich vorneherein dieses Image eines verunglückten Menschen, eines programmierten Sozialfalles, eines Bittstellers, eines jedenfalls von der Politik und der Umwelt zur Tortur erfundenes Objekt darzustellen. Ich halte das für völlig falsch. Ich glaube, wenn das Selbstbewusstsein der Kulturschaffenden deutlich zunimmt und zumindest das der Handballer annimmt, dann glaube ich, dass man im Grunde genommen hier eine völlig grauenhafte Positionierung von Kunst und Kultur, das sind immer Menschen, hervorbringt. Wenn man es nicht schafft, die Politik zu zwingen, die Kunst und die Künstler anders zu behandeln, anders zu positionieren, hier sozusagen nicht die Greißlerei des Kunstlebens mittels Kunst zu verantworten, sondern zu sagen, wir sind das Schönste, das Beste was ihr habt im Grunde genommen, gerade jetzt ist Kunst und Kultur und Künstler die einzige Visitenkarte Österreichs überhaupt. Das alles ist okay. Aber es passiert gar nichts. Es wird weiter gespart, es wird weiter gekürzt, es wird weiter gezwickt und es wird weiter an allen Ecken gejammert werden. Ich sage ihnen, wenn die Kulturschaffenden nicht lobbyfähig sind, wenn nicht wirklich Profis an die Front gehen, denn es sind Fronten, die professionell den Politikern den Teil rausholen der notwendig ist, und dann auch noch attraktiv damit umgehen, da muss man schon sagen, dann wird sich nichts ändern. Die Attraktivität und die Notwendigkeit von Kunst haben sich ja auch darzustellen und zu erweisen und zwar per Produktion. Die Produktion und da sind wir in Marktnähe, muss sich, es nutzt nichts, am Markt behaupten. Es wird übrigens sehr viel Kunst produziert, um überhaupt am Markt teilnehmen zu können. Nicht aus einer persönlichen oder gesellschaftlichen Notwendigkeit, sondern es wird sehr viel produziert für den Markt und dann ist man möglicherweise beleidigt, dass der Markt nicht so funktioniert, wie der Künstler sich das vorgestellt hat. Es werden viele Texte produziert, viele Bücher etc., nicht aus Zwanghaftigkeit sich als Künstler zu verwirklichen, sondern letztlich um am Markt teilzunehmen und dann schlägt der Markt zurück. Und was ich meine, dann hör ich auch schon auf, man kann erfolgreich in diesen Punkten zur Zeit nur sein, wenn man sich professionalisiert, wen es ein paar tolle Leute gibt, die richtig ticken und in der Lage sind, die Verantwortlichen das Fürchten zu lehren. Und letzten Endes auch wissen, wenn ich dem, denn der spricht für Tausende, das nicht gebe, dann krieg ich Zoff. Die Künstler lassen sich letztendlich von der Gesellschaft als Dekor benützen. (...) Mein Beruf besteht darin mit Kulturschaffenden zu arbeiten. Meine Hochachtung für alle ist eine sehr hohe. Mein Geschäft ist, nach Möglichkeit auch in Sparzeiten und jetzt werde ich konkret, dem Generalintendanten oder sonstigen Budgetverantwortlichen eine möglichst große Seite für die Kunst und Kultur herauszuschneiden. Bei mir ist das Budget nicht geschrumpft. Ich weiß nicht, wie das im nächsten Jahr sein wird. Ich werde diesen Kampf weiterführen und versuchen, möglichst über die Berichterstattung, über die Kolportage dessen was andere tun, als Kulturproduzent, als Kunst-Ermöglicher tätig sein. Ich produziere im Jahr ca. zwanzig Filme, ich bin für Theater und Oper auch zuständig, da geht es hinauf und nicht hinunter, weil sich die Veranstalter letztlich auch am Markt orientieren. Und ich versuche auch, dass ein Autor anständig bezahlt wird, er ist unser Kapital. Der ORF kann ohne Autoren und Regisseure zusperren, bitte schön. Wir bezahlen zwischen 180.000 und 700.000 Schilling für ein Drehbuch, kann man auch einmal sagen, weil das sehr wichtig ist. Das ist immer noch zu wenig, aber das ist immerhin so viel, dass man sagen kann, es lohnt anzutreten. (...)
Armin Anders (Geschäftsführer der ÖDV)
Es ist so viel gesagt worden und ich habe so viele Notizen, dass ich nicht mehr weiß, wo ich anfangen soll. Ich möchte dem, was Herr Lorenz sagt, etwas entgegensetzen. Erstens habe ich das nicht als Gewimmer aufgefasst, was gesagt wurde, sondern als klare Analyse der Situation der Kulturpolitik, der wie ich auch glaube, trostlosen Kulturpolitik und zweitens ein ganz kurzer Exkurs: die Österreichische Dramatiker Vereinigung hat versucht in den letzten zwei Jahren versucht, professionell alle möglichen Unternehmungen und Projekte zu realisieren, um mit minimalsten Mitteln die Situation der österreichischen Gegenwartsdramatik zu bessern und zu fördern. Jetzt, mit dem Ersten österreichischen Dramatikerkongress, wollten wir einen ersten Schritt in eine breitere Öffentlichkeit machen, auch im Sinne einer Professionalisierung, Öffentlichkeitsarbeit betreiben, Marketing leisten und Werbung für die österreichische Gegenwartsdramatik machen. Wir haben uns natürlich als erstes an die Medien gewandt, z.B. an den ORF und die Antwort einer Kulturredakteurin war: Der Peymann kommt nicht, wir berichten nicht. Das ist die Erfahrung: die man macht, selbst mit professioneller Arbeit. Das hat sie auch in einem ganz lockeren Ton gesagt. Also wenn Peymann nicht kommt, dann ist das für den ORF mehr oder weniger uninteressant. Also das ist, was ich auf der anderen Seite erfahre. Ich habe versucht, in Vorbereitung des Kongresses und der Kulturpolitikdiskussion, Ansätze der Kulturpolitik seit den siebziger Jahren zu rekonstruieren und habe mich ein bisschen eingelesen in die Materie. Da bin ich auf ein Buch gestoßen, das heißt Plädoyer für Kulturpolitik. (...) Die Beiträge sind von Gedankenträgern sozialdemokratischer Kulturpolitik der Siebziger Jahre, zwar in der BRD, aber das hat sich ausgewirkt auf die österreichische Kulturpolitik unter dem Stichwort: Kultur für alle. Stichwort: Demokratisierung. In der Auseinandersetzung mit den Texten kamen mir dann doch so Sätze unter wie: kritische Kunst, sozial relevante, demokratische, kreativ-kommunikative Kunst. Mir ist aber eines aufgefallen, dass es all diese Begriffe nicht mehr gibt in der Kulturpolitik. Das sie einfach nicht vorkommen. Wir waren genötigt, wieder eine Spardebatte, eine Finanzdebatte zu führen. Das ist eine wichtige Frage die Umverteilungsfrage, die muss geführt werden, aber es muss aber auch eine Qualitätsdiskussion und einen Diskurs über Kulturpolitik geben; und da, glaube ich, sind zwei Sachen zu sagen: Erstens es gibt keinen Diskurs in Österreich, es gibt ihn nicht. Also ich weiß nicht, wie lange schon nicht. Ich bin 1965 geboren, aber ich erinnere mich nicht an eine ernsthafte kulturpolitische Auseinandersetzung in den Medien, auch nicht im ORF. Und zweites es gibt auch keine Kulturpolitik, weil es keine Konzepte gibt. Die ÖDV versucht neue, alternative Konzepte aufzutun, obwohl wir immer wieder auf die Geschichte zurückgreifen, wie man die österreichische Gegenwartsdramatik fördern kann. Jetzt erinnere ich an das alte Zitat von Adorno, wenn wir von Kultur sprechen, sprechen wir von Kulturverwaltung. Womit wir es also zu tun haben, ist die Ministerialbürokratie, und im Wesentlichen ist von dieser nichts anderes zu erwarten als die Erhaltung des Status quo. Alles, was ein bisschen anders ist oder versucht eine andere Perspektive bzw. eine andere Richtung zu eröffnen, wird schroff abgelehnt. Da kann ich nur all das bestätigen, was die Eva Brenner zuvor gesagt hat: Das haben wir nicht gemacht, das wurde so bisher nicht gemacht, das ist auch nicht einzusehen, warum das anders werden soll.
Und damit genug fürs erste.
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Redigierte Version von: Armin Anders (Hrg.) | ÖDV-Handbuch für DramatikerInnen und TheatermacherInnen
Edition Art Science / Wiener Theater, Band 1, Erstausgabe Dezember 2000
autor: armin anders | eingestellt: 28.11.2018 | zuletzt aktualisiert: 28.11.2018
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