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Mittwochs-Reflexion | Über Lehrer*innenpflichten
2022|03
Warum verlangen die Gesellschaft und wir selbst mehr von Lehrer*innen, als im Gesetz den Pflichten des Amtes zugerechnet wird? Was treibt uns an, mehr von einem Berufsstand zu fordern, als wir laut Vertrag zu tun verpflichtet sind? Und was treibt Lehrer*innen an, sich diesen Forderungen zu unterwerfen? Niemand würde von einem Arbeitnehmer fordern und erwarten, mehr zu tun, als in seiner Dienstbeschreibung gefordert wird. Arbeitgeber*innen, die solcherlei fordern, wären rasch als Ausbeuter*innen verschrien und wir würden nach Gewerkschaft und Standesvertretungen rufen.
Doch von Lehrer*innen erwarten wir besonderes Engagement. Liegt das vielleicht an den Ferien? Ist es eine Art Neid auf einen Berufsstand, der angeblich bereits zu Mittag zu Hause herumlungert, wie viele denken? Ich will dazu nur ein paar Anmerkungen machen.
Im Gesetz heißt es zu den Pflichten der Lehrkräfte im §51 des Schulunterrichtsgesetzes: Neben der ihr oder ihm obliegenden unterrichtlichen, erzieherischen und administrativen Aufgaben, muss er noch einige Aufgaben wie z.B. die Funktion des Klassenvorstands oder eines Kustodiats übernehmen, Fort- und Weiterbildungsangebote besuchen, Mitglied in einer Prüfungskommission sein und an Lehrer*innenkonferenzen teilnehmen. Darüber hinaus soll er für die geistige und körperliche Gesundheit der Schüler*innen unter seiner Aufsicht sorgen.
Ich weiß, das erscheint den meisten Menschen eine einfache und leicht lösbare Aufgabe. Das stimmt zwar, denn dafür werden wir ja ausgebildet. Und da wir ausreichend Ferien haben, können wir ruhig während der Öffnungszeiten einer Schule mehr als die üblichen vierzig Stunden arbeiten, denn die Ferien können als Zeitausgleich verstanden werden. Nun ja, mag sein, dass man das so sehen kann. Doch Ferien sind kein purer Zeitausgleich, denn sie dienen der Korrekturarbeit, der Vorbereitung auf den Unterricht, Liegengebliebenes aufzuarbeiten, vor allem wenn einer wie ich das Fach Deutsch unterrichtet.
Doch das soll hier nicht Thema sein (das werde ich an anderer Stelle erörtern, vielleicht in einer Mittwochs-Reflexion zum Thema Nutzen und Nachteil von Lehrer*innenkonferenzen), sondern die Frage, warum von Lehrer*innen wie selbstverständlich mehr soziales und institutionelles Engagement gefordert wird, als in den vorgeschriebenen Pflichten festgelegt ist.
Vielleicht weil es sich um einen Sozialberuf handelt?
Vielleicht weil wir uns den Schüler*innen verpflichtet fühlen?
Vielleicht weil es von uns erwartet wird?
Ich bin mir nicht sicher.
Wenn man als Lehrkraft aber einfach sagt, man mache den Beruf, weil man damit Geld verdienen kann, dann wird man schief angesehen. Aber warum sollte man den Beruf denn sonst ausüben? Sind wir alle Philanthropen und davon beseelt Schüler*innen etwas Gutes tun zu wollen? Wieviele Lehrer*innen würden denn ihren Job ohne Bezahlung oder mit einem geringeren Gehalt ausüben? Wohl kaum jemand. Die Bezahlung ist also einer der wichtigsten Gründe, diesen Job zu machen. Mit Kindern und Jugendlichen in einer selbstbestimmten Umgebung zu arbeiten, ist dabei eine Zugabe.
Aber von Lehrer*innen mehr zu fordern, als das Gesetz vorsieht, weil wir in einem Sozialberuf tätig sind, ist mehr als problematisch, vor allem dann, wenn sich die Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren derart massiv verschlechtert haben – dazu könnte man in einer gesonderten Mittwochs-Reflexion einiges anmerken.
Entzieht man sich dem Gruppendruck in einer Schule, pocht man auf seine Rechte, kommt man schnell in den Verruf ein Kollege/eine Kollegin zu sein, der/die sich das Leben leicht machen möchte. Man wird als Querulant*in und Unruhestifter*in abgetan.
Dazu ist anzumerken: Auch eine Lehrer*in leistet einen Dienst, geht einen Vertrag zwischen Arbeitsgeber*in und Arbeitnehmer*in ein, denn auch Staatsbedienstete sind in letzter Konsequenz Arbeitnehmer*innen mit Rechten und Pflichten.
Und als selbstbewusste Menschen sollten wir Lehrer*innen nicht nur unsere Pflichten erfüllen, sondern vor allem unsere Rechte nicht aus den Augen verlieren, wenn diese, von welcher Seite auch immer, in Frage gestellt werden sollten.
In diesem Sinne, sollten wir die Gesetze genau studieren und uns nicht scheuen, unsere Arme zu heben und konkret nachzufragen, ob ein Dienstauftrag rechtens ist oder nicht.
Hinzufügen möchte ich zum Abschluss noch eine alte Losung, die für mich immer von Bedeutung gewesen ist, und die heute leider selten zu hören oder zu lesen ist. Deshalb sei hier an den Ausruf von Dolores Ibárruri Gómez, geboren 1895 in einer Gemeinde des Baskenlandes, erinnert: No pasarán!
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eingestellt am: 22.6.2022 | zuletzt aktualisiert: 22.6.2022
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