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Peter Simon Altmann: Das Andere. Edition Laurin 2020.
Rezension von Florian Salzberger
Mit dem Roman "Das Andere" ist Peter Simon Altmann wieder ein großer Wurf gelungen: Er stellt sich damit erneut in eine Reihe philosophischer Autoren wie Jean-Paul Sartré oder Albert Camus, mit denen Altmann das Bewusstsein teilt, dass so mancher philosophische Gedanke nicht formal begriffssprachlich, sondern allein in poetischer Sprache zum Ausdruck kommen kann. Anders aber als Sartré und Camus, die Heideggers existentialistischer Lesart folgen, bewegt sich Altmann eher auf den Spuren des heideggerschen Spätwerks. Er vollzieht mit seiner subjektzentriert-geworfenen Hauptfigur Jakob Waltz, die das "Sein vom Dasein her" zu steuern versucht, eine Art Bekehrung hin zu einem vom Sein her gelassenen Dasein nach. Formal ist dabei Altmanns neues Werk konsequent, denn es erteilt allen Lesern eine Absage, die mit der Erwartung eines klassischen Plots an dieses Werk herangehen: Hier gibt es kein abendländisch-solipsistisches Heldennarrativ, denn die Erlösung des "Midlife-Crisis"-geschüttelten Jakob Waltz durch eine Andere bzw. durch eine Frau, mit der er bis ans Ende aller Tage glücklich sein Leben verbringt, bleibt aus. Dieser Gedanke wird fast schon ins Ironische in diesem Roman übersteigert, indem der Held, mit Emmanuel Lévinas, dem Philosophen des Anderen, im Gepäck, gleichsam als Gebrauchsanweisung "Die Andere" nach seiner Lebenskrise finden will. Waltz scheitert aber an dieser fixen Idee der Anderen, wenn er am Ende des Buches feststellt, dass es ein Fehler war, auf die eine große Begegnung zu hoffen.
Worin besteht jedoch die Wende, die Jakob Waltz vollzieht? Es tut sich äußerlich nämlich scheinbar kaum etwas in diesem Roman: Der Protagonist hat keinen festen Wohnsitz und streift von einem Ort zum nächsten, vornehmlich von Salzburg bzw. Bad Reichenhall nach Shanghai oder Bangkok und wieder zurück. Frauen sind entweder kurze Partnerinnen, die die Hauptfigur spätestens dann von sich abstößt, wenn sie in irgendeiner Weise Verbindlichkeiten mit ihnen eingehen müsste, oder Prosituierte, die zu exotischen Abenteuern dienen. Daran ändert sich auch bis zum Ende des Buches nichts. Ist Jakob Waltz demnach – in Bubers Begriffen – ein Ich-Es-versessener Erlebnissammler, dem die Gnade einer wahren Begegnung auf ewig verschlossen bleibt? Nein, denn Anderes begegnet Waltz tatsächlich, aber nicht in der Form des oder der Anderen. Die verkrampfte Suche nach der Anderen misslingt und gleicht der Sehnsucht der Hauptfigur nach einem neuen Lied, einer neuen Walze auf der Spieluhr seiner Kindheit. Waltz, der sich selbst gebetsmühlenartig um dieses Sehnsuchtsmotiv und damit um sich dreht, wird von einer anderen Begegnung heimgesucht: Er findet nicht den Anderen oder die Andere, sondern das Andere bzw. wird vielmehr von ihm gefunden. Profane Epiphanien wie in Marcel Prousts Madelaine-Erlebnis erschüttern auch den Helden in Altmanns neuem Roman: Fallende Blätter oder Schmetterlinge entführen den Protagonisten in die Tage seiner Kindheit und lassen ihn für den Bruchteil einer Sekunde die zeitlichen Grenzen seiner Existenz überwinden und so einen Hauch Ewigkeit erfahren. Das Andere tut sich mehr und mehr kund, insbesondere in der Natur, die der Held nicht zu steuern und zu kontrollieren vermag. Die Unmöglichkeit den Anderen zu finden nimmt Waltz gnädig als Preis dafür an von den plastischen und intensiven Eindrücken in und um die Natur in Bad Reichenhall und Salzburg gefunden zu werden. Wunderbare Naturschilderungen voller Poesie schildern den Zauber der Natur so mancher Orte dieser Gegend und bilden in ihrer Zartheit den stilistischen Höhepunkt dieses Werkes. Jakob Waltz wird damit zum Flaneur, der sich den Eindrücken in der Natur hingibt oder vielmehr von diesen eingeholt und mitgenommen wird. Wollte man es mythologisch mit dem Bild des Sisyphos versuchen auszudrücken, so wird er wie dieser nicht vom Heraufschieben des Steines erlöst, die "Wal(t)ze" der Spieluhr bleibt und kann nicht getauscht werden, wie sich auch niemand von seiner Existenz und Geschichte befreien kann. Jakob Waltz erfährt aber – ähnlich dem Sisyphos bei Camus –, die Art und Weise den Stein hinaufzuschieben bewusst zu erleben als Glück seines Lebens, vielleicht sogar als seine Erlösung. In diesem Sinne müssen wir uns Sisyphos und auch Jakob Waltz als einen glücklichen Menschen vorstellen.
Peter Simon Altmann: Das Andere. Edition Laurin 2020. [Lesung] aus dem Text | [Zum Buch]
autor: florian salzberger | eingestellt am: 1.8.2020 | zuletzt aktualisiert am: 1.8.2020
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