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Offener Brief an den Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer vom 20. April 2010


Nachstehenden Brief schrieb ich vor sieben Jahren an meinen damals noch regierenden Landeshauptmann, den Landesvater, der seine schützende Hand über seinen Dorfvorsteher, den Bürgermeister von St. Wolfgang hielt. Das Datum ist ebenso historisch wie rückwirkend zufällig anzuerkennen.


Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer!

Ich wende mich als Gemeinderat an Sie, um Ihnen meine Sorgen in Bezug auf die undemokratischen Verhältnisse (die an die politische Willkür politischer Feudalherren im Mittelalter erinnern) in der Gemeinde St. Wolfgang hinzuweisen. Ich setze diesen Schritt, weil ich nach Ausschöpfung aller demokratischen Mittel keine Möglichkeit mehr sehe, der Demokratie in St. Wolfgang eine Chance zu geben. Darüber hinaus kann und will ich mich als gewählter Mandatar nicht meiner Verantwortung für die politische und ökonomische Zukunft der Kinder in unserer Gemeinde entziehen.

Da ich davon ausgehe, daß Sie über die Zustände, die Ihr Landtagsabgeordneter und mein Bürgermeister Johannes Peinsteiner in der Gemeinde mitzuverantworten hat, nicht informiert sind, möchte ich diese Informationslücke beheben. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, daß Sie in absehbarer Zeit entscheiden werden müssen, ob Sie die Ehrenbürgerschaft einer Gemeinde annehmen sollen, die im ökonomischen und politischen Sumpf versinkt.

Es sind mehrere Punkte, auf die ich Sie aufmerksam machen möchte, mit denen ich Sie als Oberhaupt des Landes Oberösterreich und eine der wichtigsten Persönlichkeiten der ÖVP konfrontieren möchte. Vielleicht können Sie zu einer Klärung beitragen und auf die Entscheidungsträger in St. Wolfgang einwirken, sich an die demokratischen Regeln des Rechtsstaates zu halten.

Sollte Ihnen diese Maximalvariante nicht möglich sein, bitte ich Sie um eine kurze Stellungnahme, um Ihre Position und die der ÖVP zu Ihrem Landtagsabgeordneten und seiner Vorgehensweise als Bürgermeister in St. Wolfgang besser einschätzen zu können. Wir müssen für alle zukünftigen Aktionen im Gemeinderat wissen, ob wir auf verlorenem Posten kämpfen oder das Land gewillt ist, jetzt nachdem es festgestellt hat, daß es grobe Mängel und Rechtsbeugungen in St. Wolfgang gibt, auch rechtlich aktiv zu werden.

Ich denke, St. Wolfgang und seine Bürgerinnen und Bürger haben es nicht verdient, von jener Partei im Stich gelassen zu werden, die sich als Anwalt aller Menschen in Oberösterreich versteht.

Erstens: Seit Jahren, wie der Prüfbericht 2008 und der Controlling-Bericht 2005-2008 des Landes OÖ festellen (siehe pdf Anhang bzw. Beilage), wird in der Gemeinde St. Wolfgang durch die Amtsleitung und den Bürgermeister und den Gemeindevorstand das Recht gebeugt und gebrochen. Die Aufsichtsbehörden sind zwar seit Jahren über die offensichtlichen Mängel informiert, leiten jedoch keine rechtlichen Schritte ein.

Ich stelle daher die Frage an Sie, welche Möglichkeiten sehen Sie in der Landesverwaltung gegen die anhaltende Rechtsbrechung und Rechtsbeugung durch die Gemeindeorgane tätig zu werden?

Zweitens: Seit Monaten versuchen die politischen Funktionäre der Gemeinde St. Wolfgang (FPÖ/ÖVP) durch die Beugung und Brechung der oberösterreichischen Gemeindeordnung mir als Gemeinderat den Zugang zu wesentlichen Informationen zu erschweren bzw. vollständig zu verweigern. Ich befinde mich dabei übrigens in guter Gesellschaft mit den Prüfern des Landes OÖ, die in ihrem Bericht feststellen:
„Die erforderlichen Unterlagen wurden nur zögerlich und immer erst nach längeren Wartezeiten bereitgestellt.“

Frage an Sie: Welche Möglichkeiten sehen Sie, daß in Zukunft die Rechte der Gemeinderäte in St. Wolfgang durch den ÖVP Brgermeister Johannes Peinsteiner und seinen Amtsleiter Alois Linner nicht weiter verletzt werden und endlich eine gedeihliche politische Arbeit für die Zukunft von St. Wolfgang möglich wird?

Drittens: Auf einen Umstand möchten wir Sie besonders Hinweisen, vor allem als einen Menschen, der mir in den letzten Jahren mit zweckrationalem und ökonomischen Sachverstand ausgestattet schien.
Im Punkt Fremdfinanzierung des Prüfberichtes steht: „Der Ist(Geld)bestand war zum 31.12.2008 mit einem Minus von € 5.673.111,50 gegeben. Dieser setzte sich aus dem laufenden Kassenkredit und zwei Zwischenkrediten für die Vorfinanzierung von Bauvorhaben zusammen. Diesem Negativbestand stand eine vom Gemeinderat genehmigte Summe von € 3.863.000 gegenüber.“
Daraus ergibt sich für mich eine Summe von 1.810.111,50 die nicht durch Beschlüsse des Gemeidnerates gedeckt sind.

Das alleine rechtfertigt diesen Brief. Doch weiter ist zu lesen:
„Die Amtsorganisation der Gemeindeverwaltung ist neu zu strukturieren.“
„Eine schrittweise Reduzierung der freiwilligen Ausgaben hat zu erfolgen, sodass in den nächsten zwei Jahren eine Annäherung an den vorgegebenen Richtsatz von € 15 erreicht wird.“
„Der großzügige Umgang mit öffentlichen Geldern [5.535 € für Geburtstagsgeschenke für Bürgermeister, Altbürgermeister und Funktionäre der Kurverwaltung] ist einzustellen.“
„Der gesetzliche Höchstbeitrag [für repräsentationsausgaben 2007 um 25% überschritten] darf künftig keinesfalls überschritten werden.“

Frage an Sie: Was für Möglichkeiten sehen Sie, Im Falle, daß der Bürgermeister, der Gemeindevorstand und die übrigen Organe der Gemeinde sich nicht an die Richtlinien des Prüfberichtes und des Controlling-Berichtes halten, politisch und rechtswirksam aktiv zu werden?

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer.
Bisher dachte ich, meine Kinder würden in einem intakten Rechtsstaat aufwachsen. Doch offensichtlich herrschen in St. Wolfgang andere Gesetze (ungeschriebene) als im übrigen Oberösterreich. Da offensichtlich Aufsichtsbeschwerden beim Land OÖ, Prüfberichte des Landes OÖ keine Bedeutung im politischen Handeln haben und ich zur Kenntnis nehmen mußte, daß parteipolitische Interessen schwerer wiegen als die Einhaltung rechtsstaatlicher Regeln, müssen wir als Gemeinderäte andere Mitteln ergreifen, um unseren Rechten und damit den Rechten der Bürgerinnen und Bürger zum Durchbruch zu verhelfen.

Ich kann mir nicht mehr erklären, warum der Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Johannes Peinsteiner von der ÖVP über Jahre hinweg das Recht beugen und brechen kann, ohne Konsequenzen durch das Land oder rechtsstaatliche Instanzen fürchten zu müssen.

Mit gutem Grund können Sie nun anführen, daß die anderen Parteien in St. Wolfgang ihren Aufsichtspflichten nicht nachgekommen sind. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Die FPÖ in St. Wolfgang ist eine Teilorganisation der ÖVP. Die SPÖ hat jahrtzehntelang den Vizebürgermeister gestellt und gut davon gelebt. Die Aushöhlung des Wahlrechtes durch die Verlängerung der Regierungsperiode auf sechs Jahre hat ihr übriges dazu beigetragen.

Da ich als Gemeinderat nicht über die ökonomischen Mittel verfüge, dem Rechtsstaat mit Klagen zum Durchbruch zu verhelfen, wende ich mich mit dieser offenen moralischen Anklage der ÖVP St. Wolfgang an Sie, als zuständigen ÖVP Funktionär und als Landeshauptmann aller Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher.

Ich denke, daß Sie als aufrechter Demokrat, bisher nicht gehandelt haben, weil Sie über die wahren Zustände in der Gemeinde St. Wolfgang nicht informiert sind, aus der unser Herr Bürgermeister und Ihr Landtagsabgeordneter Johannes Peinsteiner in den letzten Jahren eine Bananenrepublik [mit autoritären Zügen] gemacht hat.

In der Hoffnung, daß Sie nach dieser grundsätzlichen Information nicht länger Schweigen werden, sondern sich für die Einhaltung der rechtsstaatlichen Regeln auch in St. Wolfgang einsetzen werden, bitte ich Sie, die Ehrenbürgerschaft der Gemeinde St. Wolfgang solange nicht anzunehmen, bis die politischen und organisatorischen Organe der Gemeinde einigermaßen akzeptable demokratische Umgangsformen und ökonomisch stabile Verhältnisse geschaffen haben.

Im Controlling-Bericht heißt es dazu:
„Wir haben in früheren Prüfberichten vielfach Feststellungen zur Neugestaltung der Amtsorganisation gemacht. Auch der Landesrechnungshof hat in seinem Gutachten vom 23.1.2004 empfohlen, die Organisation der Verwaltung wirkungsorientiert auszurichten. Eine Verbesserung konnte allerdings bei dieser Prüfung nicht festgestellt werden. Nach wie vor ist die Amtsleitung die alles dominierende Stelle. Die Erledigung von Arbeiten, welche anderen Abteilungen zuzuteilen wären, führt zu einer Überlastung des Amtsleiters.

Umstrukturierungen der Arbeitsabläufe würden es dem Amtsleiter ermöglichen sich seinen primären Führungsaufgaben zu widmen und gleichzeitig eine stärkere Identifizierung der Sachbearbeiter mit dem eigenständigen zu besorgenden Aufgabengebiet mit sich bringen.“

Eine derartige Arbeitsorganisation wirkt nicht nur überlastend, sondern ist in ihrem innersten Kern zu tiefst undemokratisch und daher für mich als Gemeinderat inakzeptabel, weil es zu einer unverhältnismäßigen Machtkonzentration in den Händen der Amtsleitung und in Folge des Bürgermeisters führt. Dem Amtsmissbrauch und dem Rechtsbruch ist damit Tür und Tor geöffnet.

In diesem Sinne danke ich Ihnen für die kostbare Zeit, die Sie, falls Sie diesen Brief lesen und ernst nehmen, der Gemeinde St. Wolfgang und ihren Bürgerinnen und Bürgern geschenkt haben.

Wir wollen keine finanziellen Hilfen vom Land. Wir wollen Gerechtigkeit. Nur so können wir beginnen unsere Gemeinde zu sanieren und nach dem Willen der Mehrheit zu gestalten. Nur so sind wir nicht länger der Willkür einer kleinen politischen Kaste unterworfen.

Seien Sie bitte ein gütiger Landeshauptmann, setzen Sie der politischen Willkür in St. Wolfgang ein Ende.


eingestellt am: 22.10.2017 | zuletzt aktualisiert: 22.10.2017
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