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Raimund Bahr fragt | Anni Bürkl antwortet | 2002 | Strobl
Im Rahmen des Projektes Zeitzeug/inn/enhorizonte


Raimund Bahr
Wie bist du zum Schreiben gekommen?


Anni Bürkl
Eigentlich schreibe ich schon so gut wie immer, oder fast immer. Ich habe auch in der Schule immer wieder seltsame Geschichten geschrieben, wenn es um Aufsätze gegangen ist. Wobei die nicht immer im selben Maße Anklang gefunden haben, wie es mir Spaß gemacht hat, sie zu schreiben. Mit sechzehn, siebzehn ist es dann ernsthafter geworden, da habe ich Geschichten und Kurzgeschichten geschrieben und solche Sachen. Das hat sich dann langsam zu längeren Formen entwickelt.

Kannst du dich an die ersten Texte erinnern, wo du sagst, da hat es für dich begonnen?
Das war eine Phase, wo ich vor allem Liebesgedichte geschrieben habe, als ich dachte, jetzt ist es eine ernsthafte Auseinandersetzung geworden. Ab jetzt ist es nicht nur Spaß. Ich bin dann im ersten Unisemester, so mit neunzehn Jahren, zu der Literaturzeitschrift Zenit dazugestoßen, wo es auch Lesungen gab. Und da hat es dann ernsthaft angefangen. Dort war der Ladislav Nickel eine wichtige Person, mit dem ich mich dann, als ich zur Chefredakteurin aufgestiegen bin, zerstritten habe. Aber dadurch war ich sehr früh in der Szene drinnen, mit Lesungen usw., allerdings nur auf einer Hobbybasis. Ich hatte damals noch nicht den Anspruch, damit Geld zu verdienen.

Seit wann hast du den?
Eigentlich seit den letzten paar Jahren. 1995 habe ich das Nachwuchsstipendium für Literatur vom Bund bekommen. Da habe ich nur versuchsweise eingereicht. Und das hat gleich funktioniert. Das war sehr motivierend. Es gab dazwischen aber auch Phasen, wo nichts weiter gegangen ist. Doch meistens passiert dann eine Kleinigkeit und es geht wieder etwas. Das ist dann wie eine Warnung nicht aufzugeben. In Zeitschriften und Anthologien sind Texte erschienen. Zweimal war ich in Nenzing bei Luaga und Losna.

Und wo würdest du deine Traditionslinien sehen, bezogen auf die Autoren, die du gelesen hast. Was hat dich beeindruckt.
Das ist ziemlich schwer, weil sich das immer wieder ändert. Wen ich sehr gerne lese, ist Isabelle Allende, also realistische Literatur mit phantastischem Einschlag oder Element. Ich sehe mich selbst eher als Erzählerin und weniger als Poetin. Ich habe zwar früher Lyrik geschrieben, aber jetzt habe ich das fast vollständig aufgegeben.

Und deutschsprachige Autoren?
Deutschsprachige: sicher Bernhard, weniger vom Stil her, sondern von dem, was mir Spaß macht. Mein Anspruch ist, daß ich sprachlich aufpasse, daß es nicht zu sehr in den Mainstream geht. Aber ich bin sicher nicht so experimentell wie die Erika Kronabitter. Was ich bei mir bedauere, weil ich es früher konnte und jetzt nicht mehr mache.

Was bedeutet Schreiben für dich?
Es ist für mich eine Form zu leben. Entweder ich schreibe oder ich schreibe nicht. Sicher ist es auch ein Job und bedeutet Arbeit. Aber ich würde es sicher nicht aufgeben, weil ich nichts damit verdiene.

Was würde es bedeuten, wenn du nicht mehr schreiben könntest.
Das wäre sicher total furchtbar. Ich habe natürlich auch Phasen, wo ich nichts schreibe, weil mir nichts einfällt, aber nicht, weil ich es mir vornehme oder aus Protest. Nach vier Wochen, wenn ich es dann wieder versuche, weiß ich dann auch, warum es mir nicht gelungen ist, warum ich frustig und unzufrieden war. Es hat schon auch etwas mit Selbstbewältigung mancher Erlebnisse zu tun, auch wenn es nicht um Traumata geht. Es hat schon etwas damit zu tun, die Welt zu sehen.

Wieso mußt du es dann noch notieren?
Vielleicht, weil sich Dinge verändern, die ich sehe und auch meine Wahrnehmung dieser Dinge verändert sich. Ich finde es zum Beispiel total spannend, die Tagebücher von früher zu lesen. Ich erfahre dadurch, daß sich die frühere und die jetzige Sicht sehr ähneln. Ich habe immer ein wenig die Angst, etwas zu vergessen oder das etwas verschwindet. Dann habe ich das Gefühl, ich muß das aufschreiben, damit es nicht verschwindet.

Es geht also auch darum, etwas zu bewahren?
Genau: Bewahren und auch festhalten. Ich stelle mir immer vor, daß ich bis zu meinem Lebensende überhaupt nichts schaffe. Es kann ja sein, daß ich nicht publiziert werde. Würde ich es dann eher verbrennen oder schauen, daß es jemand anderer bekommt. Da bin ich nicht entschlossen. Würde ich lieber jemanden suchen, bei dem es in guten Händen ist und der weiß, worum es mir gegangen ist beim Schreiben, oder würde ich es lieber in den Ofen stopfen.

Was fällt dir zur Literaturszene ein? Beobachtest du sie, bist du integriert, arbeitest du in einer Gruppe?
Es hat erst in den letzten Jahren angefangen, daß ich Leute kennengelernt habe, vor allem nach der Arbeit bei der Literaturzeitschrift. Ich bin aber schon eher draußen. Ich finde es befruchtend, daß es viele Leute gibt, die schreiben und sehr unterschiedlich schreiben. Und das es für ein kleines Land viele interessante Leute gibt. Wobei ich nicht den Vergleich habe.

Kannst du dich noch an den Zenit erinnern? Gibt es da Leute von damals, die noch aktiv sind?
Es gibt auf jeden Fall den Obmann, den gibt es weiterhin. Der hat ist ein wenig autoritär und gibt nichts aus der Hand. Daran hat sich dann auch einiges geschieden für viele Leute. Ich glaube schon, daß es ein Häufchen gibt, die noch Lesungen in irgendeinem Lokal machen.

Was ich eigentlich gemeint habe, ob du beobachtet hast, daß aus einem von ihnen was geworden ist.
Nein, da habe ich nichts mitbekommen.

Und was verbindest du für Wünsche, Ziele und Hoffnungen mit dem Schreiben.
Ich möchte schon, als das gesehen werden, das ich bin oder was ich schreibe. Einfach als Autorin gesehen zu werden, die was zu sagen hat. Ökonomisch ist eh klar.

Was würde das Geld für dich bedeuten?
Unabhängig schreiben zu können, ohne den Zeitstreß zu haben und die Energien anderswo verpulvern zu müssen. Ich merke es zum Teil auch jetzt, wo ich journalistisch arbeite, daß mir selbst das die Energie wegnimmt. Obwohl es schon sehr ähnlich ist, dem, was ich tun will, aber wo die Form doch schon sehr festgelegt ist. Wobei ich mir nicht sicher bin. Manchmal entstehen schon durch Streß, durch viele Leute treffen, in Zusammenhängen zu leben, die man nicht kennt, viele Ideen. Zum Beispiel in einem Hotel zu arbeiten, wie ich es während dem Studium gemacht habe, war schon sehr spannend, weil man Ideen bekommt, weil es ein lebendiger Kreislauf ist. Ich habe dann schon einmal die Idee gehabt, undercover zu arbeiten, um neue Impulse zu kriegen. Obwohl mich das schon sehr ausgepowert hat.

Was hast du studiert?
Publizistik.

Hat dein Studium dein Schreiben beeinflußt?
Ich glaube schon, daß es da einen Zusammenhang gibt. Natürlich habe ich mir vorher vorgestellt, da lernst du Publizistik und dann kommst du als fertige Journalistin heraus. So ist es aber nicht.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen wissenschaftlichem und literarischem Schreiben? Beeinflußt sich das gegenseitig, oder ist das getrennt.
Es ist auf jeden Fall mehr getrennt als journalistisches und literarisches Schreiben. Das geht noch mehr zusammen. Ein Essay ist ja schon eher ein Zwitterwesen, wobei es darauf ankommt, ob es mehr eine Recherche oder mehr ein Gedankengang ist. Es hat mich vielleicht insofern beeinflußt, weil man doch schreiben muß. Und ich bin der Auffassung, daß man im Fluß bleiben muß. Daß man schreiben sollte, damit es nicht zum Stillstand kommt. Man sollte irgendetwas schreiben, Hauptsache man schreibt, weil sonst rostet es schnell. Ich sehe schon eine Art Handwerkstradition, daß man eben manches lernen und dann in Schuß halten muß.

Wie ist deine Arbeitsweise? Hast du da einen bestimmten Ablauf?
In letzter Zeit schreibe ich eher an Krimis. Zuerst versuche ich, Recherchen zu machen und dann beginne ich mit Notizen und entwickle eine Handlung. Das geht alles noch handschriftlich und eher locker dahin. Irgendwann setze ich mich dann hin und schreib es auf und werfe es dann aber in irgendein Eck. Nach Monaten wird es dann verbessert und bearbeitet. Wenn ich einmal in so einer Schreibphase bin, versuche ich jeden Tag gleich in der Früh zu schreiben, sonst funktioniert es nicht. Dann plane ich auch meinen Terminkalender so, daß ganze Tage frei bleiben.

Was bräuchtest du für deine eigene Entwicklung als Autorin bzw. für dein Schreiben. Was könnte dich in deinen nächsten Entwicklungsschritt leichter hineinbringen?
Was ich auf jeden Fall möchte, ist, daß ich eine selbständige Publikation habe.

Was würde das für die eigene Entwicklung bringen?
Na ja, Leser einmal, hoffe ich. Einfach ein erster Schritt nach draußen. Wie wird das aufgenommen. Wobei das nicht das Einzige ist. Ein bißchen Geld wäre auch nicht schlecht. Und der Austausch mit anderen Autoren und Autorinnen. Aber eigentlich ist meine Situation eh schon recht gut. Ich lebe selbständig. Für mich ist das die passende Form, eben nicht angestellt zu sein. Ich habe ohnehin das Gefühl, daß es in die richtige Richtung geht.

Wie beschaffst du dir als Autorin die Textkritik?
Zum Teil untereinander, wie wir uns in Strobl kennengelernt haben. Im Internet bin ich in einer Mailingliste aus Deutschland, wo sich auch einige Österreicher organisieren. Das ist sehr strukturiert. Da wird jeden Sonntag ein Text geschickt. Da gibt es eine Person, bei der man sich anmeldet. Meine Eltern lesen es natürlich auch. Und das ist vielleicht auch noch ergänzend zum Anfang des Gesprächs zu sagen, daß meine Eltern mich immer unterstützt haben. Das meine Eltern das überhaupt in Betracht gezogen haben, daß ich eine Schriftstellerin werden könnte.

Das ist ein schönes Schlußwort. Danke für das Gespräch.


eingestellt am: 29.6.2019 | zuletzt aktualisiert: 29.6.2019
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