20.200.930:2.141 Zum Archiv

Wie habe ich es vermisst, in der Beständigkeit der Tage zu leben, wie einer der Abschied nimmt, einen Schritt vor den anderen setzt, um dem Knacken der Schalen zu lauschen, aus denen die Bucheckern gefallen sind, um sich preiszugeben, auszuliefern. Ich erwarte jene Tage mit Freude, wenn die Jahre mir wohlgsonnen sein werden und jeder Herbsttag wie ein Gewinn sein wird. Jedes Streben von mir abfällt und meine Zeit sich an der Länge meiner Schritte misst.


20.200.929:0.7628 Zum Archiv

Im Norden meines Lebens werde ich die letzten Jahre dienen, mich ableben und aushauchen und wär doch liebend gern im Süden frei. Am Meer. Herumstreifend in den Dünen. Mit den Wellen albernd, als wär ich geboren aus ihrem Schaum, wie die Venus aus der Muschel. Die Sonne immerfort im Rücken und in der Ferne, wo Schirokko und Mistral an manchen Tagen Hochzeit halten, würde mir, vom Horizont beseelt, der Duft des Oleanders anvertraut.


20.200.928:1.322 Zum Archiv

Erster Schnee. In der Kindheit Verheißung. Auf meine alten Tage mehr Drohung als Versprechen. Einst ein wundersames Licht, nachts bei Spaziergängen in heimischen Wäldern. Die Kristalle barsten bei jedem Schritt und ihr eisiges Zirpen vertrieb die Einsmakeit. Nun aber kündet die erste Schneeflocke, die vor der Zeit vom Himmel taumelt von den langen Nächten in der Fremde, in denen der Wanderer seine Füße still hält und das knisternde Feuer sich vergeblich müht, mir einen lauen Sommerwind vortäuscht, mich in falschen Sicherheiten wiegt und mir einen Traum zusammenreimt, von einem frühen Jahr, in dessen Tagen, das Eis aus Dächern tropft, wie ein Abschied und Blumen am Wegrand sprießen, ein Duft so unbestechlich wie die Wahrheit selbst und wenn ich es nicht besser wüsste, könnt ich glauben, ein Jahr mehr für mich und nicht eins weniger.


20.200.927:0.835 Zum Archiv

Seit ich denken kann, lebe ich im Widerspruch zur Welt und schreibe mich immer wieder aus ihm heraus. Manchmal entwickelt sich daraus auch eine Form des Widerstandes. Dort aber, wo der Widerspruch sich in Zustimmung wandelt, endet mein Schreiben. Warum dem so ist, kann ich nicht sagen. Es war immer schon so. Von Kindheit an befand ich mich in Opposition zur Welt. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass sie mir fremd anmutet, meinen Bedürfnissen nicht angemessen ist und ich in ihr nie heimisch werden konnte.

Immer stöbere ich auf, was andere versuchen zu verbergen. Nur in der Aufdeckung von Welterfahrung ist mein Leben erträglich. Ich eigne mich nicht für das, was die Menschen Glück nennen, denn ich lebe in den Zwischenräumen, dort wo die Schatten des Denkens sich auf die Welt legen und die Dunkelheit sich ausbreitet. Selbst in den düstersten Zonen kann ich noch sehen, was ist.

Ob das Segen oder Fluch ist, mag ich nicht beurteilen. Es ist, wie es ist. Viele nennen mich einen Schwierigen. Ich bevorzuge die Bezeichnung des Schwerwiegenden, einen, den man nicht auf die leichte Schulter nehmen kann, der sich nur widerstrebend ergibt, wenn vom Schicksal die Rede ist. Der mit dem Tod hadert und vielleicht gerade deshalb das Leben verpasst. Manche nennen mich abweisend, unhöflich, überheblich. Mag sein, dass ich charakterlich mehr Schwächen als Stärken habe, aber wer sich dem Widerspruch verschrieben hat, der kann nicht immer auf einen gedeihliches Zusammeleben mit anderen hoffen, denn den Überbringer schlechter Nachrichten haben die Menschen immer schon verspottet, zurückgewiesen, verachtet und zum rechten Zeitpunkt getötet.


20.200.925:0.623 Zum Archiv

Als ich dieses Journal zu schreiben begann, dachte ich nicht, dass ich so lange durchhalten würde. Die Angst davor, mich zu wiederholen, steht bei jedem Eintrag im Raum. Und schließlich bin ich ja nicht mit einer Krankheit ausgestattet worden, die zu meinem vorzeitigen Ableben führen wird, einer Krankheit, die wie bei Herrndorf zum Verlust der Sprache führte, in die Verzweiflung und in Spaziergänge, auf denen man noch etwas findet, aber doch schon mitschwingt, dass es irgendwann kein Finden mehr gibt: Ich will spazieren. Wo will ich hin. Den ganzen Winter habe ichs gefunden.

Und irgendwann findet einer dann keinen Weg mehr, weil es eben keine Sprache mehr gibt, weil das Sprechen nicht mehr hilft und auch das Schreiben nicht. Herrndorfs letzter Eintrag war: Almut. Sechs Tage später nahm er sich das Leben. Vorzeitig. Er hätte vielleicht gesagt: zur rechten Zeit. Und wenn einer keine Krankheit hat, die ein frühes Austreten aus der Welt rechtfertigt, dann hofft er, dass die Worte nicht ausbleiben mögen, mit denen er um sein Leben schreibt.

Und vielleicht gelingt ihm dann ein Satz, wie jener von Herbert Zands letztem Eintrag in seinem Tagebuch: Mimi umhegt mich, nährt mich, tröstet mich. In Herrndorfs letztem Wort und Zands letztem Satz schwingt diese Hoffnung mit, dass man am Ende vielleicht doch nicht alleine stirbt.


20.200.924:0.528 Zum Archiv

Wir stehen unseren Mann. Wir tragen unsere Männlichkeit wie eine Verkleidung. Ein Narrengewand. Wir tragen Hosen, obwohl uns Röcke besser stehen würden.


20.200.923:0.541 Zum Archiv

Aus den Bildern muss jede Menschlichkeit getilgt werden. Nichts soll bleiben. Keine Liebe und keine Furcht, denn die Vernunft versickert in den Volksempfängern wie der träge Regen in den Tropen zwischen Orchideen. Ein Vogel kreischt und die Schar der Schmetterlinge erhebt sich. Fliegt. Nein gleitet durch frisch zerstobene Wassertropfen. Rötlich die Erde. Lehmig. Lebendig. Wilde Bananenstauden an Straßenrändern. Die Natur ein Gewächshaus. Prächtig. Üppig. Ausufernd. Leben ohne Tagwerk. Kleine Eidechsen. Flink wie das Wiesel aus den heimischen Gefilden. Über allem ein Himmel. Immerwährend. Blau. Sonnig. Ohne Gnade. Und aus dem Blätterdach prasselt die Sehnsucht der jungen Jahre ins Gemüt der späten Tage. Verläuft sich. Verirrt sich. In den Furchen der Lust. Wandelt sich. Verdampft. Vermodert. Vertrocknet.


20.200.922:0.829 Zum Archiv

Jetzt da alle erwachen aus ihren traumlosen Ängsten, werden sie Tage kürzer. Die Schatten länger. Alles fällt. Nur der Nebel steigt aus den Seen auf. Endlich, sagen die Menschen. Atmen auf. Und der Tod kümmert sich wieder um das alltägliche Sterben. Nichts greift mehr um sich. Die Gerechten predigen wie immer und in den Märkten wird wieder gewirtschaftet. Allüberall Betriebsamkeit. Die Überlebenden freuen sich. Die Massengräber verblassen. Wir tun, was wir immer schon getan haben und am besten können. Weitermachen. Voranschreiten. Pläne schmieden. Wir gehen unseren Geschäften nach. Lieben und Hassen. Führen Kriege. Was in den letzten Tagen vor den düsteren noch Gültigkeit hatte, kehrt in die Welt zurück. Setzt sich fort. Das Dazwischen: Eine Episode des Grauens. Eine Zwischenzeit. Auszeit. Über die wir unseren Nachfahren Geschichten erzählen werden. Bedeutung werden sie allein durch unser Überleben erlangen. Zeugnis werden sie ablegen von unserem heroischen Durchhalten. Was uns fehlen wird: Einsicht, dass wir Glück hatten. Davongekommen sind. Wir denken, es wird wieder besser. Wir hoffen. Wir glauben. Und sterben. Wie wir es immer getan haben. Ausnahmslos.


20.200.921:0.555 Zum Archiv

Ein Kollege hat mir letztens zugeraunt, dass er folgenden Satz besonders schrecklich fände: Jeder Traum endet einmal. Der Kanzler, der Republik, in der ich lebe, habe ihn offenbar schon mehrmals benutzt. Für einen engagierten Lehrer wie ihn muss dieser Satz wie ein Schlag ins Gesicht sein, denn junge Menschen haben noch Träume und in dem Versuch diese zu verwirklichen, will er sie unterstützen.

Heute morgen bin ich dann mit diesem Satz in den Tag hineingedämmert: Eine Gesellschaft ohne Utopie ist eine Gesellschaft der Stagnation. Und dieser Satz beschäftigt mich auch jetzt noch. Wenn dem so wäre, stellt sich die Frage, was ist die gesellschaftliche Utopie meiner Zeit?

Was die Menschen, die mich umgeben, ersehnen, ist Sicherheit. Die Menschen leben in permanenter Sorge, dass etwas schief gehen, etwas nicht gelingen, jemand sterben könnte. Doch die Sehnsucht nach Sicherheit, so verständlich sie auch sein mag, ist keine Utopie, denn einen Traum zu verwirklichen, ist ja zu einem Großteil verunden mit der Erfahrung des Scheiterns und der Aufhebung jeder Form von Sicherheit.

Wer jedoch seine Freiheit zugunsten der Sicherheit aufgibt, der gibt einerseits die Möglichkeit auf sein Scheitern auf, andererseits die Hoffnung auf ein Gelingen. Und eine Republik, deren Kanzler davon schwadroniert, dass jeder Traum einmal endet, dem sollte man zurufen: I have a dream that one day on the red hills of Georgia, the sons of former slaves and the sons of former slave owners will be able to sit down together at the table of brotherhood. [Ich habe einen Traum, dass eines Tages die Söhne von früheren Sklaven und die Söhne von früheren Sklavenbesitzern auf den roten Hügeln von Georgia sich am Tisch der Bruderschaft gemeinsam niedersetzen können.]

Dass dieser Traum bis heute nicht in Erfüllung ging, bedeutet im Umkehrschluss nicht sein Ende. Im Gegenteil! Wir müssen die Träume unserer Vorfahren aufgreifen, sie uns einverleiben, damit durch sie unsere Träume lebendig werden und sich eines Tages in jenen Ort verwandeln, den wir uns erträumen, auch auf den red hills of georgia.

Aber in der Verwirklichung der Utopie endet der Traum ja doch!, würden nun manche ausrufen. Unser Kanzeler und mit ihm alle Hoffnungslosen würden sich auf die Brust klopfen und sagen: Wir haben recht behalten. Jeder Traum endet. Doch ich halte ihnen meinen nächtlichen Satz entgegen: Eine Gesellschaft ohne Utopie ist eine Gesellschaft der Stagnation. Und deshalb fordere ich, in Abwandlung von Marx These der Revolution in Permanenz, eine Utopie in Permanenz, denn die Verwirklichung eines Traumes bringt immer einen neuen Traum hervor. Nur wenn wir aufhören zu träumen, gehen wir verloren, verwandelt sich unsere Welt in einen Ort ohne Hoffnung, unsere politisch Haltung in eine Republik ohne Vision und unser Leben in eine alltägliche Hölle.


20.200.920:2.222 Zum Archiv

Ein Abgesang auf bessere Zeiten. Selbst die Kinder sind in die Jahre gekommen. Enkelkinder rar. Mütter. Väter. Onkel. Tanten. Schlendernde Schritte. Ein leichtes Schleifen der Schuhe auf glattem Grund. Alternde Fratzen. Unglück eingezeichnet in jede kleine Furche. Auf den Köpfen das kahle Haupt ein Mahnmal für gestohlenes Leben. Über die Kuchenstücke hinweg hauchen wir uns den Atem des Todes zu. Das Ich ein Schatten. Zurückgelassen nach einem Sturm, aus dem die apokalyptischen Reiter hervorbrechen wie die Heerscharen der Todesengel. Ihr Hufschlag hallt von den Wänden wieder. Ein Echo. Wie tausend Geschichten. Frisch eingekleidet. Die Höhepunkte ausgelebter Jahre. In der Erinnerung eine ewige Wiederkehr und doch nichts weiter als ein Abgesang.


20.200.918:1.308 Zum Archiv

An Zufälle zu glauben, fällt mir schwer, auch wenn ich weiß, dass es in der Geschichte nicht viele Zwangsläufigkeiten gibt. Aber es ist doch bemerkenswert, dass im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, der Mann, der es führt, nicht nur Abkömmling deutscher Einwander*innen und damit der weißen Minderheit im Lande ist, sondern auch ein Immobilienmakler. Einer, der sein Vermögen mit dem Bauen und Vermieten von Wohn- und Arbeitsraum gemacht hat. Also dem Wohnrecht, das zu den Menschenrechten zählt, das gerade in Amerika, wo die bill of rights ersonnen wurde, nur jenen zugestanden wird, die auch zahlungskräftig genug sind, um in den Behausungen, die für sie bereitgestellt wurden, wohnen zu dürfen.

Dieses Amerika, welches das Labor des Kapitalismus wurde, nachdem Großbritannien weite Teile der Bevölkerung durch die Industrialisierung in Elend und Not gestürzt hat, verwandelt sich heute in ein Land, in dem ein neuerlicher, großangelegter Feldversuch durchgeführt wird, dessen Ausgang offen scheint. Wie geht eine demokratische Nation mit der immer größer werdenden Kluft zwischen arm und reich um? Auf wessen Seite schlagen sich die politischen Eliten? Und die wichtigste aller Fragen: Wie wird eine bis auf die Zähne bewaffnete Bevölkerung reagieren, wenn die Menschen sich die Preise ihrer Immobilien nicht mehr leisten können und zu Millionen auf die Straßen ihrer Städte strömen und durch die Vorstädte der Desperate Houswifes marodieren?

Das wenige, was über das Land in den Medien zu erfahren ist, lässt nichts Gutes über den Ausgang dieses gesellschaftlichen Feldversuchs am Ende des Industriekapitalismus erahnen, denn der Endkampf scheint sich nicht zwischen arm und reich abzuspielen, sondern es zeichnet sich ab, dass diejenigen, die eigentlich Verbündete sein sollten, weil ihre Erfahrung als Knechte und Mägde dies nahelegt, sich gegenseitig an die Gurgel gehen werden. Und es scheint so, als würde sich die Geschichte wiederholen und die kapitalistischen Eliten kommen neuerlich davon, gehen vermutlich aus diesem kannibalistischen Krieg der Lohnarbeiter und Lohnunternehmer als Sieger hervor – gestärkter und mächtiger denn je.


20.200.916:0.653 Zum Archiv

Noch einmal der Roman von Werner Rohner: Was möglich ist. Mich fasziniert Rohners Schreiben. Ich will ihm auf die Spur kommen. So wie ich schon Sascha [Garzetti] auf die Spur kommen wollte, der in seiner Lyrik die Erscheinungen der Welt in wenigen Worten fassen kann. Rohner hingegen schreibt Prosa und er schreibt sie so, dass es mir beinahe unmöglich ist, das Buch zur Seite zu legen, bevor ich die Geschichte nicht lesend an ihr Ende gebracht habe: Ich will wissen, wie das Leben ausgeht und ob es sich ausgeht, ob es zu einem guten Ende kommt, zu einem so guten Ende, wie es begonnen hat, weil in jedem Satz, in jedem Bild ein Scheitern mitschwingt, eine Möglichkeit des Verlassenwerdens von Edith durch den jüngeren Mann und einer sich doch bei jedem Wort wünscht, dass es gelingen möge, weil einem persönlich so wenig gelingt. Als Leser wünsche ich mir, dass es zumindest dieser Frau gelingen möge, stellvertretend für uns alle, die wir in unseren alltäglichen Welten doch mit so vielen Fehlschlägen konfrontiert sind.

Und dennoch endet das Leben der Protagonist*innen von Rohners erster Erzählung mehrfach. Unspektakulär. So wie das Leben geschrieben steht, sickert nicht aus, sondern bricht ab. In der Mitte, nicht am Ende, nicht am Anfang, nichts Tragisches. Kein Schmerz, kein Siechtum, auch wenn man es zwischen den Zeilen entdecken kann. Keine Verzweiflung, nur ein Ende, einfach.

Und über dieses Ende schreibt sich der Autor nicht in Rage, erhält sein Text keine Zornesfalte auf der Stirn, sondern er bleibt dem Leben gegenüber immer wohlwollend, vielleicht schwingt sich ein wenig Melancholie von Wort zu Wort, die mich an der Hand nimmt und mir versichert, dass es auch für mich ein anderes Schreiben geben könnte, wenn ich die Welt hinnähme, wie sie sei und selbst ich vielleicht eines Tages in der Lage sein könnte, ein Buch zu schreiben, dass sich in die Menschen einschreibt und nicht versucht das vereiste Herz in uns mit der Axt der Sprache zu spalten.


20.200.914:0.527 Zum Archiv

Es gibt einen Spruch, den ich häufig höre, wenn ich ein Anliegen vorbringe, in dem es um arbeitsrechtliche Fragestellungen geht, um gerechte Forderungen: Das war als wir begonnen haben auch nicht anders. Jeder von uns muss Dinge akzeptieren, die ihm nicht gefallen. Das war immer schon so. Derartige Sätze legen nahe, dass eine Ungerechtigkeit besser wird, weil sie andere auch trifft oder getroffen hat. Als würde ein derartiger Satz demjenigen helfen, der so manche Zumutung nicht akzeptieren kann oder will.

Anstatt einer Solidarisierung mit gerechten Forderungen, erntet einer, der sich wehrt, der sich Gedanken macht, oft nichts weiter als Durchhalteparolen: Da musst du durch. Du wirst sehen es wird besser. Was hilft das jammern, pack es an. Vielleicht hat es ja auch etwas Gutes. Hilfreich ist in unerträglichen Zeiten aber nicht ein gut gemeinter Satz, sondern nur die Solidarität von Menschen, von Frauen und Männern, die nach Lösungen für ein Problem suchen, die einem zur Seite stehen und intervenieren. Und selbst wenn es am Ende des Tages, die soziale Zumutung bestehen bleibt, so hat einer doch die Gewissheit, dass er nicht allein gestanden hat, das andere das Problem auch gesehen haben und es für wert befunden haben, dagegen anzukämpfen.

Die Unterträglichkeit des Seins besteht ja nicht darin, dass die Welt grausam ist, sondern dass es zu wenig Solidarität in ihrer Alltäglichkeit gibt. Und eine Geste der Unterstützung, sei sie noch so gering und banal, kann für den Betroffenen dazu führen, seinen Widerstand weiterzutragen und am Ende doch noch zu einem Sieg zu kommen, über das, was wir System nennen. Nur diese alltäglichen Siege des Einzelnen und seiner Verbündeten, ihr Widerstand gegen die systematische Unterwerfung der Menschen in unseren heutigen gesellschaftlichen Lebensverhältnissen, ist jenes Stück Utopie, das wir brauchen, um weiterzuleben.


20.200.913:0.826 Zum Archiv

Ich bin mir nicht sicher, ob ich der Stille meines Alters gewachsen sein werde, wenn der Herbst in mein Herz einzieht. Allüberall hat das Dahinsiechen der Vergessenen längst begonnen. Und die Krankheiten, an denen einer wie ich sterben kann, und mit mir die Mitglieder meiner Kohorote, sind vielfältig, wie das Leben, das wir hinter uns gelassen haben. Mit vereinten Kräften. Immer am Abgrund entlang. Ein Schritt zu viel und wir landen in der Hölle unserer Mitmenschen. Einer zu wenig und wir versinken in der Banalität unserer Alltäglichkeiten.

Und die Melancholie, die aus dem frühen Nebel der Septembertage aufsteigt, wird die letzten lauen Sommerabende trüben. Der See wird ein Abgesang sein auf das Meer. Und die Berge unerreichbar wie ein Stück frisch gepflückter Haut im Mai. Und der Duft des Morgens wird nicht mehr süß auf der Zunge zergehen, wie eine lang durchwachte Liebesnacht, sondern nach der Verwesung von altem Laub der letzten Novembertage schmecken, bevor der Schnee alles zudeckt, was unter den letzten Strahlen der Oktobersonne noch lebendig gewesen war. Und der Himmel wird selbst am hellichten Tag sein wie ein letztes Versprechen auf das Kommende, das Letzte – die Stille.


20.200.912:0.820 Zum Archiv

Der Titel von Werner Rohners neuem [Roman] – Was möglich ist – ist ein hoffnungsvolles Programm für unsere Tage. Und es beginnt schon schwunghaft mit der Vision, dass selbst in fortgeschrittenem Alter ein Neubeginn möglich ist. Und bereits zu Beginn nimmt mich Rohners Text gefangen, wie er es auch mit seinem ersten Roman zu Wege gebracht hat: Das Ende der [Schonzeit].

Es ist seine Sprache, die es schafft, ein gesellschaftliche Utopie so unspektakulär darzustellen, dass sie bei mir als Leser den Eindruck erweckt, als wäre es keine Utopie, sondern ein alltäglicher Vorgang nach Marokko aufzubrechen und sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen. Auch wenn die Protagonistin der ersten Geschichte eine Frau ist, kann ein Mann sich mit ihrem Lebensentwurf mit Leichtigkeit identifizieren. Zumal die Geschichte von Sätzen begleitet wird, die Großes versprechen und gleichzeitig ohne Pathos sich ins Gedächtnis einschreiben: Das Reisen war immer weniger Bedürfnis als einfach eine Gewohnheit, wie für die meisten Menschen wohl das Bleiben. Oder: Das Wasser lag noch immer ruhig da, wie am Morgen, wenn er sich jeweils fast nicht reinzuspringen traute, als könne er etwas Kostbares zerstören; und wenn er es doch tat, kam es ihm vor wie frischer Schnee – und er zog die ersten Spuren. Doch an jenem Abend war ihm das stille Wasser, das der Wind nur ganz leicht kräuselte, wie eine Zumutung vorgekommen.

Werner Rohner gelingt es, dem Job eines Bademeisters poetische Qualitäten abzuringen. Und das Sterben, das in jedem Wort seiner Geschichte Edith mitschwingt, verliert einen Großteil seines Schreckens. Vielleicht ist das die Qualität seiner Texte. Rohner nimmt mir die Angst vor dem Alltag und zeigt mir, welche Qualitäten sich darin verbergen können, was möglich ist, wenn man sich darauf einlässt, auch auf die Gefahr hin, daran zu scheitern. Seine Frauen tun es mit Leidenschaft und gewinnen ein Stück Leben, das sie andernfalls nicht mit der selben Leidenschaft und dem gleichen Glückpotential leben hätten können.


20.200.911:0.707 Zum Archiv

Kann ich den Zynismus in den Worten mancher Politiker besser hören oder sind ihre Aussagen zynischer geworden als früher. Wagen sie wieder mehr an ideologischer Verrohung, weil wir Bürger*innen nicht mehr wachsam genug sind, hat unser Spürsinn für Unrecht abgenommen. Im Gegensatz zur Ironie und Sarkasmus, die beide Stilformen der Rethorik sind, ist der Zynismus eine Geisteshaltung, eine Einstellung zum Leben. Und diese Einstellung zu gesellschaftlicehn Verhältnissen, allen voran die Aussagen des Innenministers unserer Republik, beschäftigen mich seit zwei Tagen, denn er hat vor laufenden Kameras folgenden Satz zu den Bränden im Asylzentrum von Moria gesagt: Das gehört gemeinsam auch bekundet und klar signalisiert, dass Gewalt kein Mittel sein kann, um den Eintritt nach Europa zu erreichen.

So macht der Innenminister unserer Republik das Opfer zum Täter. Er kriminalisiert alle in den Lagern festgehaltenen Flüchtlinge und hat darüber hinaus endlich seine Legitimation für die menschenverachtende Asylpolitik unserer Bundesregierung gefunden. Und was macht der Koalitionspartner, er lächelt bei den Kabinettssitzungen gemeinsam mit dem Kanzler in die Kameras, als wäre nichts geschehen. Spätestens jetzt wäre es an der Zeit, Flagge zu zeigen, wenn dieser elende Haufen aus grünen Opportunisten nicht noch den letzten verbliebenen Rest an Glaubwürdigkeit verspielen will.

Eine Politik, die Lagerinsassen zu Kriminellen macht, weil diese aus Verzweiflung ihre Lagerhütten in Brand stecken, ist ein Zynismus, den wir aus den vergangenen Jahrhunderten nur allzu gut kennen und der immer schon ein Begleiter menschenverachtender Regime in der Welt war.

Als Parole kann man einer solchen Politik nur noch die Worte aus Georg Büchners Hessischen Landboten entgegenhalten, die noch vor der bürgerlichen Revolution den Gedanken aller Revolutionen auf den Punkt gebracht haben, und die ich als einzige willens bin, als solche anzuerkennen: Friede den Hütten, Krieg den Palästen.


20.200.910:0.653 Zum Archiv

Wie groß muss die Verzweiflung der Menschen sein, wenn sie ein Feuer bejubeln, das nachts ausbricht und sich über ihre Zelte und Planen, über ihr letztes Hab und Gut hermacht, um alles auszulöschen, was übrig war, nach ihrer Flucht. Was sind wir für ein Land, was sind wir für Menschen, dass wir nichts unternehmen, diesen Jubel zu beenden, indem wir das flüchtende Volk aus aller Welt behausen und nähren. Wie unsere Eltern und Großeltern behaust und genährt wurden vor siebzig Jahren, als sie aus den Trümmern ihrer ideologischen Verirrung hervorkrochen und nichts weiter wollten, als essen, wohnen, arbeiten und leben.

Gestern noch schrieb ich wie der Kapitalismus in der Welt wütet, nachts, durch sein Feuer der Unterdrückung und schamlosen Ausbeutung. Vielleicht ist ja ein Feuer, als Widerstand, die einzige Antwort und der einzig mögliche Versuch den Lagern zu entkommen, in denen die Unerwünschten eingepfercht sind wie Lämmer und Ochsen, nicht, um zur Schlachtbank geführt zu werden, sondern um eine Strafe abzusitzen, die ihnen ohne Prozess aufgebürdet wurde, ohne Schuld, beinahe wie Kafkas Josef K., dessen einziges Verbrechen offenbar darin bestand, zu existieren. Überall auf der Welt, wo Menschen wie die Tiere gefangen gehalten werden, in Käfigen, ohne Aussicht auf ein menschenwürdiges Leben, ohne Hoffnung auf neuerliche Flucht nach ihrer Flucht, sollten die Lager brennen.

Nur durch ein Feuer, das den Kerker vernichtet, scheint ein Ausbruch möglich, denn nun muss für das zu tausenden geflüchtete Vieh, das durch die griechische Landschaft streunt, auf der Suche nach Nahrung und Würde, ein neuer Stall gefunden werden. Ein neues Lager. Vielleicht ist tatsächlich ein Feuer das letzte und ultimative Aufbegehren derer, die in dieser Welt gestrandet sind, ohne Heimat, ohne Zukunft und ohne Hoffnung.


20.200.909:0.802 Zum Archiv

Der Kapitalismus und seine Jagdgesellschaften verwüsten Länder und zerstören Menschen und keiner eilt zu Hilfe. Argentinien in den neunziger Jahren, Griechenland am Beginn des Jahrhunderts und nun Amerika, Brasilien, Syrien. Die Interessen der Kapitalist*innen werden von der europäischen Politik verteidigt, immer, als wären es ihre eigenen. Und bei genauerem Hinsehen ist es wohl auch so. Warum schlägt sich die Politik immer auf die Seite des Liberalismus und behauptet, es gäbe keine Alternativen zu dieser Form des Wirtschaftens? Als wäre es ein Naturgesetz, dass die Reichen und ihre Interessen begünstigt werden müssen und die Lohnarbeiter*innen die Zeche dafür zahlen sollen, weil andernfalls unsere westliche Lebensweise zerstört würde. Das ist ideologischer Bullshit. Dennoch glaubt die Mehrheit der Menschen der kriegerischen Propaganda des Kapitals.

Kapitalismus ist kein Naturgesetz. Kapitalismus ist eine Erfindung der industriellen Revolution und ihrer Kapitalgeber. Er ist kein notwendiges Übel, um die Menschen aus ihrer Armut zu befreien. Der Kapitalismus hat die Welt nicht besser gemacht, sondern die Kapitalisten und ihre Erben reicher. Und das politische Mittel, dass sie sich dafür erfunden haben, nennen wir heute europäische Demokratie. Sie ist die stärkste Bastion des Kapitals, denn nur in ihr verwirklicht sich das, was wir als die perfekte Unterwerfung der Menschen unter das Primat der Ökonomie und ihrer politischen Interessen verstehen.

Ohne die aufgeklärten, demokratischen Bürger*innen, die sich im liberalen Nationalstaat eingenistet, sich mit ihm identifiziert haben, als sei Patriotismus eine unabdingbare Voraussetzung für politische Teilhabe, wäre der Siegeszug der Kapitals, das eine Spur der Verwüstung in der Welt hinterlassen hat und immer noch hinterlässt, nicht denkbar gewesen. Und die bittere Pille, die wir heute schlucken müssen: Der Kapitalismus und seine Handlanger*innen kommen hervorragend ohne uns Bürger*innen aus, ohne den demokratischen Nationalstaat, denn sie haben sich ökonomische Netzwerke geschaffen, die auf Grund ihres Zerstörungspotentials und ihrer Kapitalstärke die Politik jederzeit in Geiselhaft nehmen können und ganze Länder verwüsten und die in ihnen lebenden Bewohner*innen nicht nur in Knechtschaft halten, sondern auch mit einem einzigen Federstrich in kriegerisches und soziales Chaos stürzen können.

Und ich bin überzeugt, dass die einzige Antwort auf diesen Raubtierkapitalismus, der sich aus dem achtzehnten Jahrhundert in das einundzwanzigste herübergerettet hat, eine soziale und ökonomische Revolution sein muss, denn andernfalls wird die Welt, wie wir sie kennen durch ein Feuer untergehen, bevor es Nacht wird. Und dieses Feuer wird kein anarchistisches sein, sondern ein faschistisches.


20.200.908:0.717 Zum Archiv

Seit meiner frühesten Jugend dachte ich, dass aus mir ein bedeutender Schriftsteller werden könnte. Einer, nach dessen Fragen sich das Publikum verzehrt und vielleicht noch mehr nach seinen Antworten. Einer, der sein Epoche durch seine Texte verdaut und sie dann dem Markt vor die Füße spuckt. Einer, der in der Lage ist, Texte zu schreiben, von unfassbarer Eleganz und Präzision.

In mir ruhte immer dieser unbändige Glaube, einer von den zwei Prozent zu sein, deren Bücher nicht in den Bibliotheken vergammeln, sondern gelesen werden. Im Gedächtnis der Welt haften bleiben, wie ein Werther oder ein Lenz oder ein Fänger, der durch den Roggen streunt.

Wie viele andere Glaubensgrundsätze davor ist auch dieser Glaube erschüttert worden, denn das Wissen um den Markt, um das Scheitern in der Kunst und im Schreiben hat mich eines Besseren belehrt. Niemand wird heute mehr ein Goethe, niemand mehr ein Rilke oder ein Brecht, geschweige denn ein Kafka. Das gibt unsere Welt und unsere Zeit und unser Markt nicht mehr her. Der Glaube an die Unsterblichkeit der Kunst und seiner Künstler ist ein sentimentaler Reflex, der seine Heimat im achtzehnten Jahrhundert hat und schon damals eine Fata Morgana war. Und daran hat sich durch die Jahrhunderte bis heute nichts geändert.

Was mir bleibt, ist das Wissen, dass ich einst dachte, ein außergewöhnlicher Dichter werden zu können. Was mir bleibt, in den letzten meiner Jahre, ist die Gewissheit, mich der Poeterey eines Unbrauchbaren bis zum letzten Atemzug zu verschreiben.


20.200.907:0.756 Zum Archiv

Was früher ein April war, ist heute ein Mai. Der Sommer wirft sich früher als gewohnt über die Landschaft. Treibt den Bäumen die Blüten aus den Knospen, liefert sie dem letzten Frost aus. Der See glitzert als wär schon Hochsaison. Im Mai fegt der Juniwind durch die Blütenstauden. Über die Berge. Trocknet die letzten feuchten Blätter und fährt in die Böden des Waldes. Treibt die Käfer in die Borken.

Im Juli nisten sich die Tropen in nördlicheren Gefilden ein. Heiß. Schwül. Zwingt alles Leben zu Boden. Röchelnd und atemlos giert es nach Wasser. Und dann öffnet der Himmel seine Schleusen. Lässt Sinfluten los. Reißt tiefe Furchen in die Landschaft. Schwemmt die letzen Reste der guten Böden aus. Reißt an den tiefgelegenen Hängen alles mit, was nicht festgezurrt ist. Wege. Brücken. Häuser. Selbst Kirchen, von höchster Stelle zum Schutz auserkoren, fallen den tosenden Fluten ihr zum Opfer. Verlassen ihre seit Jahrhunderten angestammten Plätze.

Und dann, wenn einen der Glaube verlassen hat, trifft der Herbst im Land ein. Klingt der September in den letzten milden Oktobertagen aus. Der Winter kündigt sich für Jänner an und schaut dann im Februar kurz vorbei und sagt: Hallo. Ein alter Freund. Ein seltener Gast. Und schon steht der Sommer vor der Tür. Im März keimen die ersten Blüten und die Schneeschmelze zwängt sich in die aufgewühlten Bäche. Und unsere alten Gewohnheiten verwandeln sich in neue und treiben uns den Schweiß auf die Stirn und wir leben uns ein in den Nächten, die wir von nun an tropisch nennen.


20.200.905:0.810 Zum Archiv

Auf der Suche nach seinem Stein, an dem er rasten könnte, hat er die halbe Welt bereist. Gefunden hat er Bänke, Stege und Kaffeehäuser. Aber nicht seinen Stein. Er hat ihn fest im Blick. Kennt seine Lage. Seine Form. Kann seine raue Oberfläche spüren. Kennt jede Kante. Rundung. Er befindet sich an einem Übergang. Einer Hügelkuppe. Im Wald. Dort, wo der Weg sich gabelt. Zur Rast einlädt. Am Ende des Aufstiegs. Dort, wo einer entscheiden muss, wohin der Weg ihn führen wird. Wie er leben will. In seinen letzten Tagen. Er denkt, dass die Zukunft einen Plan erfordert, den es zu ergründen gilt. Die Vergangenheit losgelassen werden muss. Sitzend. Auf seinem Stein. In diesem einen Moment. An einer Weggabelung müssen Entscheidungen getroffen werden. Alles, was daraus folgt, ist die Konsequenz dieses einen Augenblicks, denkt er. Ein Wimpernschlag. Und es beginnt immer an einer Wegmarkierung. Einem Platz. Der einlädt zur Rast. Wo die Zukunft beginnt. Im Jetzt.


20.200.903:0.929 Zum Archiv

Das Sterben hat begonnen. Sie heben Gräber aus. Auf Vorrat. Jetzt muss es rasch gehen. Die Toten werden hinausgekarrt. An den Stadtrand, wo früher die Krähen zwischen den Weinreben nisteteten. Ein Konvoi des Todes und kein Totenvogel, der ihn über Land begleitet. Welch Ironie. Am Straßenrand die Erde aufgerissen. Gräber ohne Grabstein. Für jeden. Ohne Ansehen des Standes. Stille. Früher gab man sich noch Mühe. Nahm sich Zeit. Errichtete Grabhügel. Kruzifixe. Nun werden die Kadaver in fieberhafter Eile unter die Erde gebracht. Bevor die Hitze sich über die Landschaft wirft. Die wenigen noch abgehaltenen Abschiedszeremonien sind kurz. Lieder werden nicht gesungen. Ein schnelles Gebet. Die Trauer wird verschoben. Auf später. Auf bessere Tage.


20.200.902:1.913 Zum Archiv

Ich bin kein guter Mensch. Ich bin nicht bereit auf meinen Luxus zu verzichten, bevor nicht Jeff Bezos bereit ist, seine Mitarbeiter*innen besser zu behandeln. Auf mein feuchtes Klopapier will ich nicht verzichten, solange Aufsichtsräte Millionenboni erhalten. Mein Auto kann ich nicht aufgeben, weil an ihm mein Arbeitsplatz hängt, ohne den ich meinen Luxus nicht hätte. Auf meinen Kaffee jeden Morgen, will ich als einer, der jeden Tag frühmorgens aufstehen muss, um zu arbeiten, nicht verzichten. Auch fällt es mir schwer, meinem Serienwahn auf Netflix nicht zu fröhnen, auch wenn ich mich dabei ein wenig wie in der schönen neuen Welt fühle. Wie gesagt, ich bin kein guter Mensch. An mir wird die Welt nicht genesen. An mir wird sie aber auch nicht zugrunde gehen.


20.200.901:0.824 Zum Archiv

Die Misere der heutigen Literatur ist, dass sie dem Markt nichts mehr entgegensetzt, sondern den Markt, die Gesellschaft, unser Leben nur noch abbildet. Die Welt, wie sie ist, nur mehr beschreibt und nicht mehr interpretiert. Vielleicht ist die Krise der Literaur nicht eine Krise der Leser, sondern eine Krise der Texte. Nicht eine Krise der Literaturvermittlung, sondern eine Krise des kapitalistischen Marktes, der sich alles aneignet und ökonomisch verwertet. Und wenn Autoren auf diesem Markt etwas werden wollen, Karriere machen wollen, sich einnisten wollen, dann müssen sie den Mechanismen des Marktes folgen. Das ist die eigentliche Tragödie der heutigen Literatur.


[20.2008] [20.2010]