Was ihn seit jeher umgetrieben hatte und er nicht nachvollziehen konnte, war die Frage: Warum Menschen auf der Vorstellung beharrten, sie wären einzigartig, unverwechselbare Subjekte. Dieser Gedanke ließ sich im Angesicht der millionenfachen Duplikate, die sich aneinanderreihten wie ein Band, das die Welt zusammenhielt, nicht aufrechterhalten. Jeder war für sich ein Original, doch unter all den anderen erschien ein Leben wie das andere. Nirgendwo zeichnete sich die wahre Natur des Menschen stärker ab, als hier, in der von Menschen geschaffenen Welt der Waren.
Der Mensch beharrte auf dem Eigenen und blieb sich doch immer fremd. Gewissheit verschaffte ihm in dieser Fremdheit nur sein Abbild, die Welt seiner Erzeugnisse, die Zeugnis ablegen konnten, von seiner Existenz, denn durch ihre Darstellung und Ausstellung erlangte der Mensch seinen ursprünglichen Sinn als Konsument zurück, als Jäger und Sammler, welche er von Anbeginn der Zeit gewesen war. Die Gestalt des Produzenten, als Ackerbauer und Viehzüchter, die er später annahm, war nur der Versuch sich aus der Natur zu lösen und das Konsumieren, das er von Geburt her kannte, in einen kulturellen Habitus zu verwandeln. Was ihm zuvor die Natur zur Verfügung stellte, konnte er nun selbst herbeirufen, wann und wo immer er wollte. So begann er Zeit und Raum zu beherrschen. Er konnte sich sein eigenes Schlaraffenland begründen, konnte Wasser in Wein verwandeln und Hühner in gebratenes Fleisch, das er an jeder Ecke einsammelte, um es später, in der heimatlichen Höhle zu verzehren.
Ihm selbst war diese Welt vertraut, hat sie von Kindheit gleichsam mit der Muttermilch in sich aufgesogen und konnte sich in ihr bewegen, wie der Fisch im Wasser. Jedes Stückgut war ihm geläufig in seiner immerwährenden Erscheinung. Jede Delikatesse ein Spiegel seiner selbst. Der Supermarkt gab Sicherheit. Und verschwand ein Artikel für immer aus den Regalen, war es wie der Tod eines geliebten Haustiers, ein unwiederbringlicher Verlust, als wäre ein Freund gestorben, eine Welt verloren.
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