20.230.215:0.856 Zum Archiv

Die Lage ist unübersichtlich. Als ich zu schreiben begann, war alles einfacher. Man wusste wer der Feind war und wer ein Freund. Zumindest dachte ich, dass ich es wissen würde. Es gab Autor*innen mit einem Verlagsvertrag und Autor*innen ohne. Die einen standen im Lichte und die konnte man sehen, die anderen lungerten im Schatten umher und waren unsichtbar. Man glaubte sich in Sicherheit, und dachte, was publiziert sei, hätte Qualität. Das war damals wie heute ein Trugschluss.

Was sich hingegen geändert hat, ist die Unübersichtlichkeit im Publikationswesen. Durch die Digitalisierung kann heute jeder Texte nach Belieben publizieren und was früher im Schatten lag und unsichtbar blieb, tritt heute überdeutlich ans Licht und wird in all seiner Hässlichkeit sichtbar, denn das digitale Zeitalter ist nicht nur ein Glücksfall für die Literatur, sondern eben auch eine Falle. Der Magel an Diskurs, an ernsthafter Auseinandersetzung zeigt sich an allen Ecken und Enden. Wir denken, dass wir in einem Schlaraffenland der Kommunikationsmöglichkeiten leben und realisieren nicht, dass wir uns im Grunde in einem Einbahnsystem befinden, das uns in einer immerwährenden Kreisbewegung zu uns selbst zurückschickt. Unkommentiert und echolos.


20.230.210:1.715 Zum Archiv

Unverbesserlich wie ich bin, habe ich mich heute für den Ingeborg Bachmannpreis beworben. Mit einem Text, der den schlichten Titel Hans Mohr trägt. Einem Text, der sich zu einem Roman über meine Generation entwickeln könnte. Der Bewerbung wird keine Teilnahme folgen, denn die Verlage und die von ihnen entsandten Autor*innen haben den Preis fest im Griff. Das Schauspiel, welches uns dort geboten wird, hat bereits Herrndorf in seinem wunderbaren Text Klagenfurt festgehalten. Das einzige, dessen er sich sicher war, Klagenfurt liegt irgendwo in Österreich .

Herrndorf hält in seinem Klagenfurttext vier Möglichkeiten fest, um zum Bachmannpreis zu gelangen: einen Skandal inszenieren, ein Tabu brechen, gerichtsbekannt werden oder, und das wäre der absolute Ausnahme- und zugleich Glücksfall, man könnte auch mit regulären Mitteln ans Ziel kommen, einfach einen guten Text schreiben. Da er sich, nach eigener Aussage, zu keiner der vier Vorgehensweisen entschließen konnte, verfiel er auf eine fünfte. Rumschleimen. Nun ja, dazu muss man ja erstmal jemanden finden, vor dem man rumschleimen könnte.

Nun gut, ich habe es auf dem sechsten Weg versucht, einfach meinen Text an die Juror*innen zu senden. Eine solche Vorgangsweise versuche ich alle heiligen Zeiten einmal. So wie ich meine Kandidatur als Bundespräsident unternommen habe und auch als Bürgermeisterkandidat angetreten bin, vor mehr als zehn Jahren, in Himelzelten. Ich bin eben ein Unverbesserlicher wenn es um die Präsentation meines Egos geht.

Doch zurück zu meiner Bewerbung. Im Einreichtext steht bereits in den ersten Zeilen folgende Passage: Der heutige Tag erscheint mir wie ein Anfang von etwas, dem bereits ein sentimentales Ende eingeschrieben ist, weil er sich wie ein letzter Beginn anfühlt, ein letzter Aufbruch in ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Das Unterfangen, das ich mir vorgenommen habe, scheint mir so unmöglich wie aussichtslos und dennoch trage ich es wie ein unstillbares Verlangen seit Jahren in mir. Dem ist nichts hinzuzufügen.


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